Exopulse Mollii Suit – so nicht …

Weil sich in der letzten Zeit die Anfragen von MS-Erkrankten hinsichtlich der Möglichkeit einer Kostenübernahme des Exopulse Mollii Suit durch die gesetzlichen Krankenkassen, aber auch durch Stiftungen und Crowdfunding (Finanzierung durch eine Gruppe von Internetnutzern) gehäuft hatten, sah sich der DMSG-Bundesverband veranlasst, eine Stellungnahme herauszugeben. Seit kurzem kann sie auf der Internetseite der DMSG und des KKNMS e.V. abgerufen werden. Die Lektüre der von der AG Rehabilitation des Ärztlichen Beirates der DMSG verfassten Stellungnahme, würde ich allen Interessierten ans Herz legen (Stellungnahme DMSG-Bundesverband zur Wirksamkeit von Mollii-Suit).

Bei dem Hilfsmittel Exopulse Mollii Suit handelt es sich um einen Anzug, in dessen Stoff über 50 Elektroden eingenäht sind. Die ermöglichen eine sog. transkutane Elektrostimulation an einer Vielzahl unterschiedlicher Bereiche des Körpers – d.h. es können über ein Steuergerät elektrische Niedrigenergie-Impulse an unterschiedliche Muskelgruppen abgegeben werden. Wo genau die Impulse abgegeben werden – also letztlich wie die Programmierung des Steuergerätes aussieht – soll auf der Grundlage der Beurteilung des Anwenders durch entsprechend geschultes medizinisches  Fachpersonal vorgenommen werden. Die Kosten diese Gimmicks belaufen sich auf 8.500,00 €. Und für die Testung dieses ziemlich aggressiv beworbenen Produkts sollen wohl auch noch einmal recht hohe Gebühren anfallen.

Aggressive Werbung, um Verzweifelte zu überzeugen – so nicht …

Bei Anwendung des Gerätes verspricht der Hersteller eine Entspannung spastischer Muskeln und die Erweiterung des Bewegungsumfangs – darüber hinaus sollen die Durchblutung verbessert und chronische Schmerzen reduziert werden. Dementsprechend breit wird auch die Indikation angegeben. Sie reicht von chronischen Schmerzen über den Schlaganfall bis hin zur Multiplen Sklerose. Allerdings basieren diese Empfehlungen eher auf Wunschdenken denn auf klinischen Studien. Insbesondere zur Anwendung bei Multipler Sklerose existieren aktuell überhaupt keine publizierten Daten – das wird auch in der o.g. Stellungnahme sehr detailliert ausgeführt.

Dementsprechend kommen die Experten in ihrer Stellungnahme auch zu dem Schluss, dass derzeit der Einsatz des Exopulse Mollii Suit nicht generell empfohlen werden kann: „Weitere und vor allem kontrollierte, doppelblinde Studien bei MS-Patienten sind notwendig, um die Wirksamkeit des Hilfsmittels beurteilen zu können.“

Wie üblich ist die Stellungnahme von offizieller Seite recht ausgewogen und sachlich. Ich möchte mir daher hier die Freiheit nehmen, es ein wenig deutlicher zu formulieren. Die Art und Weise, wie die Fa. Ottobock, der Hersteller des Mollii Suit, ihr Produkt bewirbt, geht gar nicht. Behauptungen über eine vermeintliche Wirkung und Evidenz klaffen krass auseinander. Es wird mit Testimonials gearbeitet – rechtlich zwar in Ordnung, weil im Kleingedruckten offengelegt wird, dass es sich um individuelle Erfahrungen handelt und eine Aufwandsentschädigung für die Darstellung gezahlt wurde. Allerdings so dick aufgetragen, dass es weh tut. Da wird von „Superheldenanzug“ geschwafelt und Sätze wie „Ihre neue Superkraft: das Gefühl, dass wieder alles möglich ist“ abgedruckt – mit Verlaub, da wird einem schlecht.

Empfehlung: auf dem Teppich bleiben

Wir alle, die mit der Multiplen Sklerose zu tun haben, wissen, wie schwer es ist, Betroffene mit einem fortgeschrittenen Erkrankungsstadium zu stabilisieren und zu kontrollieren. Und genau an diese Personengruppe, die häufig verzweifelt nach Maßnahmen sucht, ihre Mobilität zu verbessern, richtet sich die Mollii Suit-Werbung und versucht, mit vollmundigen und unbewiesenen Versprechungen Umsatz zu generieren, Kohle zu machen.

Um es klarzustellen: Ich finde es grundsätzlich gut, wenn es auch im Bereich der symptomatischen MS Therapie Innovationen gibt. Im Gegensatz zu den Innovationen bei den Immuntherapeutika tut sich in diesem wichtigen Segment letztlich zu wenig. Daher ist es auch zu begrüßen, wenn sich Firmen in diesem Bereich engagieren und z.B. wie die Fa. Ottobock neue Formen von Hilfsmittel entwickeln. Aber ich bitte doch darum, mit den Aussagen zur Wirksamkeit auf dem Teppich zu bleiben und Evidenz zu generieren. So ist es für Medikamente gesetzlich vorgeschrieben und eigentlich wäre es wünschenswert, dass der Gesetzgeber das auch grundsätzlich für Medizinprodukte vorschreibt. Um solchen Auswüchsen wie oben beschrieben – im Sinne der Patienten – entgegenzuwirken.

50 Kommentare

  1. Der Artikel wirkte auch auf mich tendenziös., obwohl ich zuerst die Stimmung, die im Artikel rüberkommt , nachvollziehen kann Ich bin mittlerweile 28 Jahre an MS erkrankt und habe auch viel Unfug ausprobiert. Am Schluss habe ich mich immer geärgert , dass ich mit meiner Hoffnung auf falsche Versprechen reingefallen bin. Es ist schwierig als Laie besseres vom schlechteren zu unterscheiden. Ein Ergebnis irgendeiner dämlichen Diät war bei mir , dass ich derart gestürzt bin, dass ich mit einer Platzwunde ins Krankenhaus gefahren worden bin. Doch jetzt kommt das aber: die Reaktion Kommentare hier machen wir wieder Mut , diesen Anzug auszuprobieren denn ich habe schon viel über ihn gelesen und ihn auch von Therapeutenseite empfohlen bekommen. An die große Verschwörung durch die Pharmaindustrie glaube ich persönlich nicht. aber dass man als Arzt als Ärztin manchmal die Faxen dicke hat, kann ich nachvollziehen. Kurzum: die Hoffnung stirbt zuletzt!

  2. Ich durfte diesen Anzug einmal testen, ja leider nur einmal, denn er hat bei sehr viel bewirkt. Ich leide an Multiple Sklerose und habe deshalb eine starke Gehbehinderung. Dank diesem Anzug konnte ich endlich mal wieder besser laufen, aufstehen und war deutlich schneller.
    Meine Wunsch ist es, dass der Molly Suite als Hilfsmittel anerkannt wird.
    Natürlich ist die Wirkung individuell, aber jeder hat doch die Chance auf eine Besserung verdient!

  3. Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Mäurer,

    was auch immer Sie veranlasst hat, diesen Beitrag zu schreiben, sollte in dieser Art eines Vertreters des Verbandes unterbleiben.

    Wenn man gegen ein Hilfsmittel Argumente vorbringen will, dann kann man das auch auf eine vernünftige Art und Weise machen und nicht so wie Sie es getan haben.

    Es ist eines Professors unwürdig, gegenüber den hoffnungsvollen Erwartungen von Erkrankten, die in Vielzahl auch Ihre Mitglieder sind, so aufzutreten!

    Ich empfehle eine Richtigstellung.

    Freundliche Grüße

    Thomas Strube

  4. Der Artikel ist ihrer Qualifikation entsprechend sehr pharmalastig und entspricht nicht den zahlreichen postiven Berichten und Erfahrungen von Anwender. Durch ihre Stellungnahme und der der DMSG schaden sie uns, dass es noch unmöglicher wird den Anzug von den Krankenkassen zu bekommen. Aber Therapien in 4 bis 5-stelliger Höhe mit enormen Nebenwirkungen, da hinter stehen sie?
    Sehr bedauerlich. Wir, MS Betroffene hätten uns gewünscht, dass Sie, die Amsel und DMSG uns unterstützen und nicht die Pharmaindustrie. Erschreckend , bin seit 2004 Mitglied.

  5. Ich stimme vielen Vorschreibern zu. Klar, dass die Pharmaindustrie kalte Füße bekommt und versucht, diesen Anzug – der bei uns auch hilft – zu blockieren, wo sie nur kann. Ich kenne MS’ler, die sogar Medikation reduzieren konnten durch diesen Anzug, ein Schelm ist, wer ….

    Traurig genug, dass man so einen negativen Artikel hier liest.

    Jeder mit vernünftigem Menschenverstand weiss, dass das alles kein Hexenwerk ist und niemand von jetzt auf gleich mit dem Anzug geheilt.
    JEDER, der Werbung macht, überzieht – so auch dieser Hersteller, trotzdem sollte man die Kirche im Dorf lassen.

    Aber auch über solche Artikel wird wieder klar, wer die Steuerung aller Gelder und des Marktes überhaupt in der Hand hat. Tja.

  6. Ein Neurologe, der sich nicht darüber freuen kann, dass der Mollii Suit zahlreichen MS-Betroffenen die Lebensqualität verbessert? Empathielos, aber wenigstens ehrlich.

  7. Ein Arzt, der mit MS-Patienten arbeitet, sollte das Mindestmaß an Empathie aufbringen, sich darüber zu freuen wenn es zu Verbesserungen kommt. Auch wenn es keine medikamentöse Therapie ist.

    Markus Gruber

    P.S. Bin auch einer der enorm vom Mollii Suit profitiert – ohne dafür bezahlt zu werden …
    P.P.S. Ich geh jetzt schlafen – die neurogene Blase weckt mich seit dem Mollii nur noch selten, allein dafür bekommt er schon das Prädikat „Superheldenanzug“

  8. Zunächst finde ich es gut, daß sie dieses Mal meinen Kommentar tatsächlich erscheinen lassen und nicht wieder uterdrücken.
    Hinsichtlich ihrer Äußerung, daß „Im Gegensatz zu den Innovationen bei den Immuntherapeutika tut sich in diesem wichtigen Segment letztlich zu wenig.“ fragt man sich woher ihre Bewertungsgrundlage entsteht wenn die einzigen beiden Neuerungen bei den Immuntherapeutika für MS eine Wiederverwertung von einem Medikament gegen die Schuppenflechte bzw. eine leicht veränderte Chemotherapie für Behandlung von Arthritis waren. Und das bei milliardenschweren Forschungsbudgets und jährlichen Therapiekosten von mehreren Zehntausend Euro im Jahr. Könnten sie sich vielleicht vorstellen, welche Möglichkeiten im Bereich der symptomatischen MS Therapie mit solchen Mitteln entstehen würden?
    Wenn sie darüber nachdenken würden, wäre es klar weshalb ein kleiner Hilfsmittelhersteller wie diesem Fall der schwedische Hersteller „Inerventions“ sich doppelblinde klinische Studien schlicht nicht leisten kann? Genauso wie Neurologen, die Therapien verschreiben verlässt man sich im Vertrieb auf langjährige Erfahrungswerte und de gibt es durchaus. Der verantwortliche Kontakt für eines der größten Sanitätshäuser in Westdeutschland, der mittlerweile mehrere hundert Patienten betreut hat, sieht eine klare Verteilung von 15-20% von klaren Verbesserungen, 30% mit leichten Verbesserungen und etwa der Hälfte von nicht-Respondern. Das ist eigentlich eine Effektivität, von der die Entwickler von vielen medikamentöse Therapien nur träumen könnten.
    Ohne solche Kontext Informationen einzubeziehen wirkt das hier wie einfache Stimmungsmache die mehr über ihre Fähigkeit zur Reflexion über komplexe Themen verrät als dass sie Leser informieren würden.

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