Streichung der Homöopathie als Kassenleistung

Ich bin kein besonderer Freund der Politik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, aber mit der Maßnahme, Homöopathie als Kassenleistung zu streichen, liegt er richtig – auch wenn man ihm Symbolpolitik vorwirft und anmerkt, dass eine Streichung nur ein geringes Einsparpotential besitzt.Homöopathie ist eine alternative medizinische Praxis, die auf eine Idee des deutschen Arztes Samuel Hahnemann zurückgeht, die er Ende des 18. Jahrhunderts formuliert hat. Demnach soll „Ähnliches durch Ähnliches geheilt (Similia similibus curentur)“ werden. Dafür werden Substanzen extrem verdünnt (teilweise so stark, dass selbst mit den heutzutage verfügbaren empfindlichsten Messmethoden keine Substanz mehr nachgewiesen werden kann) und (nach speziellen Regeln) verschüttelt, was nach Auffassung der Homöopathen die therapeutische Wirkung verstärken soll (man spricht hier von „Potenzierung“).

Um es kurz zu machen: Homöopathie ist aus wissenschaftlicher Sicht Unfug. Zum einen ist die Grundidee („Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt“) falsch und beruht auch auf einer falschen Beobachtung von Samuel Hahnemann. Zum anderen stehen die Prinzipien der Homöopathie, insbesondere die Idee der Potenzierung, im Widerspruch zu den Grundgesetzen der Physik und Chemie. Dass höhere Verdünnungen zu stärkeren therapeutischen Effekten führen, ist nicht mit den grundlegenden Prinzipien der Biologie zu vereinbaren. Zudem konnte in zahlreichen wissenschaftlichen Studien keine über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirkung der Homöopathie nachgewiesen werden.

Natürlich wird man in der umfangreichen Literatur (schlecht gemachte oder schlecht kontrollierte) Studien finden, die einen Effekt nachweisen konnten. Aber die Beschränkung auf solche Einzelstudien ist Cherry-Picking („die Rosinen raussuchen“) und unwissenschaftlich – die große Gesamtheit der Studien, analysiert in Metaanalyse und systematischen Reviews, konnte nie eine Wirkung homöopathischer „Medikamente“ belegen.

Bleibt noch die individuelle Wahrnehmung: „Aber mir hat es geholfen!“ – Natürlich gibt es diese individuellen Erfahrungen, aber sie beruhen zum einen auf der natürlichen Heilungstendenz von Erkrankungen und zum anderen auf dem Placebo-Effekt, der ja sehr wirkmächtig sein kann (s. DocBlog „Überlegungen zum Placebo-Effekt„).

Natürlich spricht nichts dagegen, den Placebo-Effekt bei der Behandlung von Erkrankungen auszunutzen, aber dann muss auch klar kommuniziert werden, dass die Wirkung von Homöopathie nicht über den Placebo-Effekt hinausgeht und dass dieser Effekt bei schweren und chronischen Erkrankungen seine Grenzen hat. Doch das ist nicht der Fall, den Anwendern gegenüber wird behauptet, es handele sich um eine spezifische und wissenschaftlich belegte Heilmethode. Und das ist Täuschung, die das Prinzip der informierten Zustimmung und das Recht von Patienten auf die beste verfügbare Behandlung verletzt.

Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, vielleicht sogar heutzutage der Wichtigste. Homöopathie ist eine Form von Wissenschaftsleugnung: Die Ablehnung wissenschaftlicher Erkenntnisse und evidenzbasierter Medizin zugunsten alternativer Ansätze, die nicht durch wissenschaftliche Nachweise gestützt sind. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten spielen aber eine wichtige Rolle in stabilen Demokratien bei politischen Entscheidungen und öffentlichen Diskussionen. Wissenschaftsleugnung kann diese informierte Basis gefährden, indem sie falsche Informationen oder unbestätigte Behauptungen fördert – und auch deswegen ist es wichtig und richtig, dass das Bundesgesundheitsministerium hier einen Punkt macht und die Homöopathie aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen verbannen will.

 

2 Kommentare

  1. Dass einzelne Patienten an die Wirkung von Homöopathie glauben ist unbestritten und sollte auch nicht unnötig verurteilt werden.
    Es geht aber um die Frage, was „die Gemeinschaft“ (also „wir“) mit Beiträgen finanzieren soll und was selbst bezahlt werden muss.
    Da sind Kriterien wie wissenschaftlich nachgewiesene Wirksamkeit durchaus geeignet.
    Auch bei anderen nicht ganz so eindeutig zu klassifizierenden Therapien befürchte ich, dass man weg kommen wird von einem Vollkasko-Anspruch, der eine Bezahlung „für alles, was mir gut tut“ beinhaltet.
    Die Überprüfung und Reduktion von Leistungen der Krankenkassen wird also vermutlich nicht bei der Homöopathie enden.

  2. Richtig! Es ist schlicht und ergreifend Betrug einer international agierenden Gruppe von Lobbyisten, die sich über die Jahrzehnte eine Sonderstellung erschlichen haben und ungestraft, ohne Wirkungsnachweis, ihre Produkte in enger Zusammenarbeit mit Apothekern an verzweifelte Kundschaft verscherbeln dürfen.

    Dazu kommt, dass nicht nur einzelne Personen, sondern der Staat und somit der Steuerzahler an sich, betrogen werden.

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