Nachdem seit einiger Zeit bereits einige orale MS-Medikamente als Generika verfügbar sind (s. auch MS-DocBlog Generika in der MS-Therapie), ist seit dem 01. Februar 2024 mit Tyruko® von der Fa. Sandoz auch das erste Biosimilar zur MS-Therapie zugelassen und verfügbar. Das Krankheitsbezogene Kompetenznetzwerk Multiple Sklerose (KKNMS) hat hierzu eine Stellungnahme verfasst, die ich meinen interessierten Lesern auch zur Lektüre empfehlen möchte.
Tyruko® ist ein Natalizumab-Biosimilar. Natalizumab wiederum ist ein monoklonaler therapeutischer Antikörper, der 2006 erstmals unter dem Handelsnamen Tysabi® von der Fa. Biogen zugelassen wurde. Tyruko® ist somit das Nachahmer-Präparat eines lange bekannten, häufig eingesetzten und hochwirksamen MS-Medikamentes. Viele von Ihnen kennen es oder nuten es sogar selbst bzw. haben es genutzt. Die Herstellung von solchen, i.d.R. deutlich kostengünstigeren Nachahmer-Präparaten ist Firmen erlaubt, wenn der Patentschutz des Originalpräparates (in diesem Fall Tysabri®) ausgelaufen ist.
Biosimilars: ähnlich, aber nicht identisch
Nun ist Natalizumab aber eine komplexe biologische Substanz – und solche komplexen Biologika nachzuahmen ist relativ kompliziert. Daher spricht man bei Nachahmer-Präparaten komplexer biologischer Substanzen (=Biologika) auch von sog. „Biosimilars“. Der Name bringt es somit schon zum Ausdruck: Das Nachahmer-Präparat ähnelt (engl.: similar) dem Original, ist ihm aber nicht vollständig identisch.
Das hängt damit zusammen, dass komplexe biologische Substanzen wie Natalizumab in lebenden Organismen hergestellt werden. Bei solchen Herstellungsprozessen kann es immer zu gewissen „biologischen“ Unterschieden kommen – man spricht hier auch von der sog. Mikroheterogenität.
Klare Grenzen für Variabilität
Die Variabilität eines Biosimilars muss sich aber innerhalb eines ziemlich engen Korridors bewegen – es gibt klar definierte Grenzen. Einfach ausgedrückt, ein Biosimilar ist dem Originalpräparat zwar nicht identisch ist, aber ziemlich ähnlich. Diese starke Ähnlichkeit muss auch durch eine Vielzahl von chemischen Analysen zu Struktur und Qualität sichergestellt sein.
Nachweis für Wirksamkeit und Sicherheit
Zudem muss im Rahmen der Zulassung eines Biosimilar die Wirksamkeit und Sicherheit des Präparates nachgewiesen werden. Allerdings nicht im gleichen großen Umfang wie das bei dem entsprechenden Originalpräparat der Fall war. Daher können Biosimilars auch kostengünstiger vertrieben werden, was letztlich gut für unser Gesundheitssystem ist. Auch das Natalizumab-Biosimilar Tyruko® musste eine randomisierte Phase III Studie („Antelope“) durchlaufen, die letztes Jahr publiziert wurde (Efficacy an Safety of Proposed Biosimilar Natalizumab (PB006) in Patients With Relapsing-Remitting Multiple Sclerosis: The Antelope Phase 3 Randomized Clinical Trial).
Die Antelope-Studie
In diese Vergleichsstudie zwischen Tyruko® und dem Originalpräparat (Tysabri®) wurden 264 erwachsene Patienten mit schubförmiger MS eingeschlossen. Bei der Untersuchung in Woche 24 war die Anzahl neuer aktiver Läsionen zwischen den Behandlungsgruppen ähnlich. Es wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen in Bezug auf Wirksamkeit, Sicherheit, Verträglichkeit oder Immunogenität festgestellt. Dementsprechend kann man sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf verlassen, dass man keinen Nachteil hat, egal ob man mit dem Original- oder dem Nachahmer-Präparat behandelt wird.
Validierte Tests Voraussetzung für Einsatz des Biosimilars
Aber gerade bei Natalizumab ist es wichtig, dass die Herstellerfirma des Biosimilars entsprechend validierte Tests zur regelmäßigen Bestimmung des JCV-Antikörperstatus zur Verfügung stellt. Dies ist aufgrund des PML-Risikos von Natalizumab eine Voraussetzung für die sichere Anwendung. Ein solcher Test ist von der Fa. Sandoz entwickelt worden, allerdings war dieser zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Textes noch nicht verfügbar. Alle Anwender sind sich aber einig, dass dies eine Grundvoraussetzung für die Verwendung des Natalizumab-Biosimilars darstellt. Wenn dies gewährleistet ist, spricht nichts gegen die Verwendung des Biosimilars und Patienten und Patientinnen müssen keine Sorge haben, dass sie unzureichend behandelt werden.
Welche unerwünschte Nebenwirkungen sind bekannt?