Zulassungsänderung der Interferon-beta-Therapie während Schwangerschaft und Stillzeit

Ende September 2019 hat der Ausschuss für Humanarzneimittel der europäischen Arzneimittelagentur eine Zulassungsänderung der Interferon-beta Therapie während der Schwangerschaft und Stillzeit empfohlen. Obwohl das eigentlich eine sehr wichtige Information ist, habe ich diese Neuerung noch gar nicht an dieser Stelle kommentiert – wahrscheinlich, weil wir in der Praxis eh schon einen ziemlich permissiven Umgang mit den Interferonen bei Kinderwunsch gepflegt haben – aber nun ist es offiziell und das ist natürlich eine gute und praxisrelevante Nachricht. Was genau ist passiert – bzw. auf welcher Basis beruht die veränderte Empfehlung? Da MS häufig bei Frauen im gebärfähigen Alter auftritt und Informationen zu den Auswirkungen der Medikamente zum Zeitpunkt der Markteinführung nur begrenzt vorliegen, wurde in der Vergangenheit ein prospektives europäisches IFN beta-Schwangerschaftsregister etabliert. Die Daten aus diesem Register sowie die Daten aus den Gesundheitsregistern von Finnland und Schweden wurden jetzt im Hinblick auf die Schwangerschaftsergebnisse ausgewertet.

Insgesamt konnten im europäischen Interferon beta-Schwangerschaftsregister die Schwangerschaftsergebnisse von mehr als 900 Schwangerschaften ausgewertet werden. Die meisten Schwangerschaften (> 500) waren dabei im ersten Trimester der Schwangerschaft mit Interferon-beta exponiert. Untersucht wurde die Raten an ektopen Schwangerschaften (Eileiterschwangerschaften), Spontanaborten (Fehlgeburten), Totgeburten und Lebendgeburten mit Anomalien. Die Raten der Spontanaborte lag bei 10,7 % und damit weit unter der erwarteten Rate von bis zu 21 %, die für die Normalbevölkerung beschrieben ist. Auch die Rate von Geburtsanomalien war mit 1,8 % niedriger als die in der Normalbevölkerung erwartete Rate von 3 – 5 % der Schwangerschaften. Auch für die anderen Auswerteparameter ergaben sich keine Sicherheitssignale. Die Schwangerschaftsergebnisse des europäischen Registers konnten zudem mehr oder weniger exakt durch die Auswertung der skandinavischen Register bestätigt werden.

Somit lieferten sowohl die europäischen als auch die skandinavischen Registerdaten keine Hinweise auf einen negativen Einfluss einer IFN beta-Exposition vor der Konzeption (Empfängnis) und/oder während der Schwangerschaft auf den Ausgang der Schwangerschaft und das Kind. Aufgrund dessen kann jetzt für alle Interferon-Präparate die Anwendung während der Schwangerschaft in Betracht gezogen werden, fall dies klinisch erforderlich sein sollte.

Wie schon oben erwähnt, haben wir schon seit längerer Zeit – auf der Basis systematischer Reviews und Registerstudien, die keine nachteiligen Auswirkungen einer IFN-Therapie gezeigt hatten – die Praxis gepflegt, Interferone auch vor einer geplanten Schwangerschaft nicht abzusetzen, sondern dies erst mit dem Eintritt der Schwangerschaft zu tun, v.a. im Hinblick auf den Schutz der Mutter. Dieses Vorgehen ist jetzt mit der Zulassungsänderung aber offiziell und kann als sicher betrachtet werden – was eine gute Nachricht ist.

Es ist zudem eine gute Nachricht, dass die Zulassungsänderung auch die Stillzeit betrifft. Die neue Fachinformation der Interferon-beta Präparate beinhaltet auch, dass Interferon-beta während der Stillzeit angewendet werden kann. Die Frage nach Anwendung eines Interferons während der Stillzeit wird häufig gestellt, denn viele Frauen möchten ihr Kind stillen, aber nicht auf einen adäquaten medikamentösen Schutz vor MS-Schüben verzichten. Nun kann die Frage eindeutig beantwortet werden: Auch offiziell sind keine schädlichen Auswirkungen auf das gestillte Neugeborene/Kind zu erwarten. Die Aussage beruht auf Studien, die zeigen konnten, dass IFN beta nicht signifikant in das Milchkompartiment übergeht. In vielen Milchproben war IFN beta nicht nachweisbar, und selbst unter Verwendung des höchsten gemessenen Wertes lag die geschätzte relative Säuglingsdosis bei 0,006% der mütterlichen Dosis. In den Studien sind auch keine klinischen Nebenwirkungen beim gestillten Säugling beobachtet. Das wird auch damit zusammenhängen, dass bei oraler Gabe Proteine wie das Interferon während der Passage durch den Magen-Darm-Trakt ihre Wirksamkeit verlieren und damit bei oraler Aufnahme des Interferons beim Stillen eine mögliche unerwünschte Wirkung beim Kind verhindert wird (Hale TW et al. Breastfeed Med. 2012 Apr;7(2):123-5; Hellwig K, Gold R. J Neurol. 2011; 258(3): 502 – 3).

Insgesamt also positive Nachrichten für Mutter und Kind, was die Anwendung eines Interferonpräparates in der Schwangerschaft und Stillzeit betrifft – und somit wichtig, diese Neuigkeiten auch hier auf MS-Docblog zu kommunizieren.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Unsere Website verwendet Cookies und sammelt dabei Informationen über Ihren Besuch, um unsere Website zu verbessern (durch Analyse), Ihnen Social Media-Inhalte und relevante Werbung anzuzeigen. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Seite . Sie können zustimmen, indem Sie auf die Schaltfläche "Akzeptieren" klicken.

Cookie-Einstellungen

Unten können Sie auswählen, welche Art von Cookies Sie auf dieser Website zulassen. Klicken Sie auf die Schaltfläche "Cookie-Einstellungen speichern", um Ihre Auswahl zu übernehmen.

FunktionalUnsere Website verwendet funktionale Cookies. Diese Cookies sind erforderlich, damit unsere Website funktioniert.

AnalyticsUnsere Website verwendet analytische Cookies, um die Analyse und Optimierung unserer Website für a.o. die Benutzerfreundlichkeit.

Social Media, YouTube, VimeoUnsere Website platziert Social Media-Cookies, um Ihnen Inhalte von Drittanbietern wie YouTube und FaceBook anzuzeigen. Diese Cookies können Ihre persönlichen Daten verfolgen.

WerbungUnsere Website platziert Werbe-Cookies, um Ihnen Werbung von Drittanbietern zu zeigen, die Ihren Interessen entspricht. Diese Cookies können Ihre persönlichen Daten verfolgen.

AndereAuf unserer Website werden Cookies von Drittanbietern von anderen Diensten von Drittanbietern platziert, bei denen es sich nicht um Analysen, soziale Medien oder Werbung handelt.