Kommunikation und Wissen – darf’s ein wenig mehr sein?

In der Medizin und insbesondere in der klinischen Neurologie spielt Kommunikation für die Umsetzung ärztlichen Empfehlungen und die Anwendung medikamentöser Therapien eine ganz wichtige, wenn nicht sogar die entscheidende, Rolle. Die Kommunikation ärztlicher Empfehlungen ist häufig nicht einfach, nicht nur, weil die moderne Medizin immer komplizierter wird, sondern auch – das ist mein persönlicher Eindruck – weil vielen Menschen das Wissen, das Grundverständnis, wie ihr Körper funktioniert, fehlt und vielen Menschen auch nicht bewusst ist, nach welchen Grundsätzen und Anforderungen moderne Medizin praktiziert wird. Daher die leicht ironische Frage in der Überschrift: Darf’s ein bisschen mehr sein? – Ja, gerne.

Wissen viel: Menschen mit Multipler Sklerose

Die Gruppe der MS-Betroffenen möchte ich hier explizit ausnehmen und möchte meine MS-PatientInnen an dieser Stelle loben – meistens sind Personen mit MS sehr gut über das Krankheitsbild und die immunologischen Grundlagen der Erkrankung informiert – viele bilden sich kontinuierlich weiter und sind auf dem Gebiet der Multiplen Sklerose zu echten Experten geworden. Ich persönlich schätze das sehr – denn man kann mit diesen PatientInnen sehr differenziert über die Erkrankung diskutieren und gemeinsam über Therapiestrategien nachdenken – eine solche Kommunikation auf Augenhöhe ist auch für mich als Arzt angenehm und scheint – so ist jedenfalls mein Eindruck – MS Betroffenen bei der Krankheitsbewältigung zu helfen. Ich ärgere mich daher auch, wenn ich höre, dass gut gebildete PatientInnen bei manchen ärztlichen Kollegen anecken und die Kommunikation abgewürgt wird – denn gerade bei komplexen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose ist ein informierter Patient von großem Wert – Wissen sollte gefördert werden.

Fehlt das Grundverständnis hingegen, ist es nicht nur sehr schwierig, mit den ärztlichen Empfehlungen zum Patienten durchzudringen, sondern man sieht auch nicht selten, wie PatientInnen orientierungslos im großen Meer der unbegrenzten Meinungen und Informationen umhertreiben und im ungünstigsten Fall Scharlatanen aufsitzen, deren Angebote jeder rationalen Grundlage entbehren, die aber durch das Anbieten vermeintlich einfacher Lösungen Betroffenen das Geld aus der Tasche ziehen und mit den Hoffnungen von PatientInnnen spielen.

Mehr Wissen, bessere Kommunikation

Man fragt sich daher, was man verbessern könnte – sicher ist es ein Problem der modernen Medizin, dass zu wenig Zeit bleibt, um komplexe Sachverhalte zu erklären. – Aber manchmal ist es auch selbst bei bestem Willen unmöglich, in Zeiten hohen Patientenaufkommens und Fachkräftemangel, jedem individuell z.B. die Funktion des Immunsystems oder die Systematik von klinischen Studien zu erläutern.

Ich würde mir manchmal wünschen, dass hier bereits in der Schule mehr Grundlagen zur Funktionsweise des menschlichen Körpers, aber auch zu den Grundsätzen, wie medizinisch-wissenschaftliche Forschung funktioniert, vermittelt werden. Immer wieder beobachte ich, dass medizinische Laien wenig Ahnung haben, wie ihr eigener Körper funktioniert oder wie Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten zu bewerten sind – dadurch kommt es zu Überforderung und Angst bis hin zur Panik, und das, was früher noch im häuslichen Umfeld gelöst wurde, landet heute in der Notaufnahme.

Daher meine Ermutigung an die vielen MS-Betroffenen, die sich auf die Erkrankung einlassen, die sich stetig fortbilden und eigne Vorstellungen und Ideen entwickeln – machen Sie weiter so, denn so wird die ärztliche Kommunikation zielführend – und motivieren Sie Mitbetroffene es Ihnen gleichzutun.


Hinweis: AMSEL e.V. hat sich die Aufklärung von MS-Erkrankten und ihren Angehörigen auf die Fahnen geschrieben. Die amsel.de-Rubrik „Multiple Sklerose“ bietet übersichtliche Informationen zur MS:

Außerdem gibt es extra Angebote für spezielle Gruppen, etwa „Erstdiagnose MS“, die Seite für neu an MS Erkrankte, MS und Sport, MS und Ernährung und vieles mehr.


 

6 Kommentare

  1. Hallo
    Ich 72 Jahre seit 30 Jahren MS.
    Beruflich war ich al Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin 20 Jahre tätig.
    Aus gesundheitlichen Gründen habe ich dann Umgeschult und war viele Jahre als Lehrer für Pflegeberufe tätig.
    Ich kann also schon behaupten, dass ich über gewisse medizinische Kenntnisse verfüge.
    Dass ich in den 30 Jahren der Erkrankung mich immer auf dem neusten Stand gehalten habe, war für mich immer ein wichtiger Faktor.
    leider musste ich in den letzten Jahren feststellen, dass mir genau diese umfangreichen Kenntnisse von Fachärzten als großer Nachteil ausgelegt wird.
    Schlicht und einfach gesagt, kenne ich jetzt einige Fachärzte, für die ein gut Informierter Patient nur eine Belastung und Störenfried ist.

  2. Ich bin selbst von MS schwer betroffen (Diagnose vor einigen Jahren, sitze seit ca einem Jahr im Rollstuhl, habe einschießende Spastiken in beiden Beinen und Missempfindungen in den Armen).
    Mein Lebenspartner und ich liefen auf der Suche nach einem für mich passenden Arzt von Facharzt zu Facharzt (der persönliche Kontakt ist im Falle so einer schweren Krankheit nicht unwichtig).
    Kommentare wie zum Beispiel „Sie haben Informationswut“ mussten wir uns anhören. Nur, weil wir über manch Diagnostik/ Therapie besser oder überhaupt informiert waren.
    Ich frage mich, ob das traurig oder peinlich ist.
    Insofern tut es gut, von einem Mediziner zu lesen, der diesen Mangel bei einigen seiner Kollegen (egal ob männlich oder weiblich) feststellt!

  3. Ich finde diesen Artikel wirklich wichtig. Mein Vor(-oder Nachteil) ist es, mdizinisches Grundwissen zu besitzen. Ich habe seit 2011 diagnostizierte MS und habe vorher selbst viele MS-Patienten mitversorgt. Ich sage immer, das es Ironie des Schicksals ist, das ich nun selbst MS habe😀. Daher mein Motto:
    Nicht ich habe MS…. sondern die MS hat mich!
    Ich finde diesen MS-DOCBLOG für mich übrigens großteils recht informativ, lehrreich und auf einen halbwegs neuen Stand gebracht. Bitte weiter so und Danke!

  4. Ich finde diesen Artikel wirklich wichtig. Mein Vor(-oder Nachteil) ist es, mdizinisches Grundwissen zu besitzen. Ich habe seit 2011 diagnostizierte MS und habe vorher selbst viele MS-Patienten mitversorgt. Ich sage immer, das es Ironie des Schicksals ist, das ich nun selbst MS habe😀. Daher mein Motto:
    Nicht ich habe MS…. sondern die MS hat mich!
    Ich finde diesen MS-DOCBLOG für mich übrigens großteils recht informativ, lehrreich und auf einen halbwegs neuen Stand gebracht. Bitte weiter so und Danke!

  5. Den Artikel müssten auch die MS Laien lesen. In meiner Familie sind viele Akademiker(auch Ärzte) aber MS hat kein Interesse!

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