Ein Arzt erklärt einem MS-Patienten am Bildschirm MRT-Bilder des Gehirns.

Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung (ASV) – nun auch für Multiple Sklerose

Zunächst einmal möchte ich allen meinen Lesern ein erfolgreiches und vor allem gesundes neues Jahr 2023 wünschen. Dieses Jahr werden wir uns weniger um die Auswirkungen der Pandemie kümmern müssen, die MS-spezifischen Themen werden erfreulicherweise wieder deutlich in den Vordergrund des wissenschaftlichen Diskurses treten. Ich werde, wie gewohnt, diese Entwicklungen für Sie erklären und kommentieren – und natürlich werden wir an dieser Stelle auch weiterhin die praxisrelevanten Aspekte der MS Versorgung besprechen. Ich freue mich auf ein weiteres Jahr DocBlog.

Mit einem gesundheitspolitischen Thema möchte ich in das neue Jahr einsteigen, das aus meiner Sicht große Auswirkungen für die MS Versorgung haben wird: Am 15. Dezember 2022 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA – das höchste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen) die Richtlinie ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) § 116b SGB V um die Multiple Sklerose ergänzt.

Ambulante statt stationärer Behandlung

Was bedeutet diese Entscheidung? Dafür muss man sich vor Augen halten, dass wir in Deutschland traditionell eine ausgeprägte sektorale Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung haben. Heutzutage werden allerdings viele, auch komplexe Erkrankungen, wie zum Beispiel die MS, ambulant behandelt. Ein Umstand, den viele betroffene Patienten begrüßen.

Ärzte, die in Krankenhäusern arbeiten, dürfen in Deutschland allerdings nur in Ausnahmefällen oder unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. in einer Hochschulambulanz) ambulante Behandlungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen vornehmen. Das ist angesichts der zunehmenden „Ambulantisierung“ problematisch. Denn zum einen findet sich in Krankenhäusern für viele komplexe Erkrankungen eine besondere ärztliche Kompetenz, zum anderen sind die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten eines Krankenhauses (die gerade bei komplexen Erkrankungen benötigt werden) bisweilen deutlich größer als die einer Arztpraxis.

Deswegen versucht die Politik in den letzten Jahren die Krankenhäuser in die ambulante Versorgung einzubinden, sich also für eine sog. Sektor-übergreifende Versorgung einzusetzen. Im Jahr 2004 hat der Gesetzgeber die Richtlinie über die Ambulante Behandlung im Krankenhaus eingeführt, um Kliniken für die ambulante Versorgung von Menschen mit komplexen Krankheitsbildern zu öffnen. Dieses spezialfachärztliche Angebot (auch bekannt als §116-Ambulanz) wird nun Schritt für Schritt durch aktuelle ASV-Angebote ersetzt.

ASV für komplexe und schwer therapierbare Krankheitsbilder

Das Angebot der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) richtet sich in erster Linie an Patienten mit komplexen und schwer therapierbaren Erkrankungen. Das Prinzip besteht darin, dass spezialisierte Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen in einem Team zusammenarbeiten und in diesem Team Diagnostik und Behandlung der jeweiligen Erkrankung koordinieren. Eine ASV kann von Krankenhäusern sowie niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten und Medizinischen Versorgungszentren angeboten werden.

In der Vergangenheit wurden vom G-BA bereits erkrankungsspezifische ASV-Anforderungen für eine Vielzahl von Erkrankungen festgelegt. Z.B. für gastrointestinale Tumoren und Tumoren der Bauchhöhle, Lungentumoren und Tumoren des Thorax, rheumatologische Erkrankungen bei Erwachsenen und bei Sarkoidose – und seit dem 15.12.2022 gibt es nun auch einen G-BA Beschluss für die Multiple Sklerose (https://www.g-ba.de/beschluesse/5804/).

Nach Inkrafttreten des Beschlusses kann von den Teilnehmern ein entsprechendes ASV-Team gebildet werden, zu dem für die ASV MS neben Neurologen u.a. auch Urologen, Augenärzte und Radiologen gehören und Patientinnen und Patienten im Rahmen dieses besonderen Versorgungsangebotes behandeln.

Ich verspreche mir durch die Einführung der ASV tatsächlich eine Verbesserung der Versorgung von MS Patienten. – Voraussetzung ist aber, dass die ASV auch mit entsprechenden Qualitätsstandards durchgeführt wird, die jetzt definiert werden sollten.

2 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Prof. Mäurer,
    wir freuen uns sehr, dass Sie sich in Ihrem informativen Blog der Erweiterung der ASV-Richtlinie um das Thema Multiple Sklerose widmen und dass Sie in den vom GBA festgelegten ASV-Anforderungen eine Verbesserung der Patientenversorgung sehen. Da wir als themenbezogene Patientenvertreterinnen für Multiple Sklerose im ASV-Unterausschuss des GBA an der Festlegung der Vorgaben für ASV-Teams mitbeteiligt waren, möchten wir die Gelegenheit nutzen, interessierten MS-Betroffenen ergänzende Informationen zukommen zu lassen.
    Zur Verfahrensweise des GBA gehört es laut gesetzlichem Auftrag, Beschlüsse in Arbeitsgruppen vorzubereiten, die sich aus Vertretern der GBA-Geschäftsstelle, Vertretern der Krankenkassen und der Ärzteschaft sowie Patientenvertretern, die von den maßgeblichen Patientenorganisationen im Gesundheitswesen entsandt werden, gebildet werden. Patientenvertreter haben bei der abschließenden Abstimmung zwar kein Stimmrecht, können jedoch aufgrund ihrer Expertise Beschlussentwürfe entscheidend mitprägen. Gerade bei den inhaltlichen Versorgungsfragen ist das bedeutsam, denn die Vertreter der Ärzteschaft und der Krankenkassen sind meist keine Experten der jeweiligen Fachrichtung, sondern Mitarbeiter der Trägerorganisationen des Gesundheitswesens (GKV-Spitzenverband, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Deutsche Krankenhausgesellschaft), die die Diskussion auch unter Kostenüberlegungen führen. Der krankheitsbezogene Input der Patientenvertreter wird von diesen gerne angenommen. Bei der ASV ist es den beteiligten Patientenvertretern gelungen, viele versorgungsrelevante inhaltliche Aspekte in den Beschluss mitaufnehmen zu lassen, z.B. dass auch die MS-betroffenen Kinder und Jugendlichen miteinbezogen sind. Wir sind gespannt, wie schnell jetzt ASV-Teams gebildet werden, und ob die Hoffnung auf eine bessere Patientenversorgung sich bestätigt.
    Dr. Edeltraud Faßhauer, MS-Themenbezogene Patientenvertreterin für die DMSG Bundeverband
    Dr. Jutta Scheiderbauer, MS-Themenbezogene Patientenvertreterin für die ISL e.V.

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