Bei Multipler Sklerose helfen Medikamente. Die können aber auch Nebenwirkungen haben.

Nebenwirkung von MS-Therapien: Cladribin

Cladribin ist eine Medikamentenvorstufe (Prodrug), die nach Einschleusen in Körperzellen aktiviert wird und als sogenanntes Nukleosid-Analogon in die DNA von Zellen eingebaut. Dieser Einbau führt zum programmierten Zelltod. Für die Aktivierung ist allerdings eine bestimmte Enzymausstattung innerhalb der Zielzellen notwendig, die v.a. in T- und B-Zellen vorhanden ist, weswegen diese Immunzellen in erster Linie durch Cladribin angegriffen werden. Diese Tatsache macht das Medikament zu einem interessanten Ansatz in der Immunologie. Cladribin wird in Deutschland unter dem Handelsnamen Mavenclad® von der Firma Merk vertrieben.

Cladribin ist zugelassen für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit (hoch)aktiver schubförmiger multipler Sklerose. Das Medikament gilt aufgrund seiner Studiendaten als ein höher-wirksames MS-Präparat. In den aktuellen Therapie-Leitlinien wird es der Wirksamkeitskategorie 2 zugeordnet.

Gepulste Immuntherapie

Die zugelassene Dosis beträgt 3,5 mg/kg Körpergewicht. Cladribin wird daher (im Gegensatz zu vielen anderen MS-Medikamenten) gewichtsadaptiert eingesetzt. Eine weitere Besonderheit von Cladribin ist sein Einsatz als gepulste Immuntherapie. Das bedeutet, das die erste Hälfte der Dosis (1,75 mg/kg KG) an jeweils 5 Tagen des 1. und 2. Monats des 1. Behandlungsjahrs gegeben wird. Danach ist Pause bis zum Beginn des 2. Behandlungsjahrs. Zu dessen Beginn wird die andere Hälfte der Gesamtdosis in gleicher Weise verabreicht. Nach Abschluss dieser zwei Behandlungsphasen ist keine weitere Behandlung mit Cladribin in den Jahren 3 und 4 erforderlich. Eine Wiederaufnahme der Therapie ab dem 4. Jahr wurde zwar nicht untersucht, kann aber (nach Expertenmeinung) bei Wiederauftreten von Krankheitsaktivität erwogen werden.

Für Patienten bedeutet dieses Regime der gepulsten Immuntherapie, dass an 20 Tagen Cladribin-Tabeltten eingenommen werden müssen. Aufgrund ihrer Bequemlichkeit ist die Therapie für Patienten eine interessante Option.

Interessant ist auch, dass Cladribin schon seit langem in der Medizin benutzt wird. Die Substanz wurde ursprünglich zur Chemotherapie der Haarzell-Leukämie, einer seltenen Blutkrebsform, entwickelt. Aufgrund dieser Historie als Chemotherapeutikum sind manche Patienten misstrauisch. Hinzu kommt, dass in der Zulassungsstudie mehr Tumorerkrankungen in der Behandlungsgruppe zu verzeichnen waren, sodass primär der Zulassungsprozess gestoppt wurde. Auch wenn mittlerweile gezeigt werden konnte, dass das Tumorrisiko für Cladribin nicht höher ist als das anderer Immuntherapeutika, haftet dem Präparat diese Vergangenheit an.

Weiße Blutkörperchen beobachten

In der realen Anwendung kann man allerdings verzeichnen, dass Cladribin eine recht gut verträgliche und unproblematisch anwendbare Medikation ist. Die wichtigste Nebenwirkung von Cladribin ist in seiner Wirkweise auf T- und B-Zellen begründet. Nach Einnahme kommt es zu einem Abfall der weißen Blutkörperchen, der sich dann im Laufe des Jahres wieder erholt. In seltenen Fällen kommt es zu einem sehr deutlichen Abfall der weißen Blutkörperchen, der weitere Vorsichtsmaßnahmen notwendig machen kann.

In der Regel vertragen die meisten Patienten die Einnahme von Cladribin nebenwirkungsfrei. Manche Patienten berichten über Müdigkeit und Abgeschlagenheit während der Einnahme, selten werden Übelkeit und Durchfall berichtet. Hin und wieder werden Hautrötungen (z.B. im Dekolleté) angegeben. In den Studien hat man zudem ein häufigeres Auftreten von Herpes-(Re)Infektionen beobachtet, wenngleich das in den Studien nur ca. 3% der Studienteilnehmer betroffen hat. Jedoch lässt sich dies auch in der Anwendung beobachten. So ist vor Beginn der Behandlung nicht nur auf eine ausreichende Immunität gegen Windpockenviren zu achten, sondern auch eine Impfung gegen Herpes Zoster in Erwägung zu ziehen. Auch wenn diese bei Patienten mit einer Immuntherapie erst ab dem 50. Lebensjahr von der STIKO empfohlen ist.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Schwangerschaft: Da Cladribin in die DNA-Synthese eingreift, sind Fehlbildungen zu erwarten. Auch Tier-experimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung mit Cladribin und mindestens 6 Monate nach der letzten Dosis eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden, um eine Schwangerschaft zu verhindern. Auch männliche Patienten müssen während der Behandlung mit Cladribin sowie für mindestens 6 Monate nach der letzten Dosis Vorkehrungen treffen, damit bei ihrer Partnerin keine Schwangerschaft eintritt. Auch Stillen ist während der Behandlung mit Cladribin und 1 Woche nach der letzten Dosis kontraindiziert. Auf der anderen Seite ermöglicht die gepulste Immuntherapie die Planung und Realisierung des Kinderwunsches in Jahr 3 und 4 nach Ersteinnahme.

Beachtet man diese Einschränkungen ist Cladribin ein gut verträgliches und wirksames Medikament zur Behandlung der schubförmigen MS, das sich vor allem durch seine niedrige Therapie- und Monitoringbelastung auszeichnet.

Ein Kommentar

  1. Ich kann die hervorragende Wirkung von Cladribin bei Haarzell-Leukämie, von der Herr Professor Mäurer hier schreibt, als Facharzt anhand von zwei von mir beobachteten Fällen nur bestätigen – die Haarzellen (in Wirklichkeit wohl maligne T-Zellen) zerfielen so rasch, dass man Allopurinol brauchte, eigentlich ein Mittel gegen Gicht. Ich weiß nicht, ob das bei MS-Betroffenen auch erforderlich ist, das findet man aber in der Fach- oder Patienten-Information. Da es verschiedene Firmen mit ähnlichen Namen gibt: Hersteller ist Merck/Darmstadt. Es ist gut, dass die Betroffenen jetzt immer mehr Auswahl an Therapien haben.

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