ECTRIMS 2022 (2) – Schwangerschaft und Stillzeit

Im Hinblick auf praktisch relevante Ergebnisse des diesjährigen ECTRIMS Meetings möchte ich v.a Studien zu Schwangerschaft und Stillzeit hervorheben. B-Zell-depletierende Therapien wie Ocrelizumab und Ofatumumab werden häufig bei Frauen im gebärfähigen Alter angewendet. Unglücklicherweise enthält die Fachinformation von Ocrelizumab (Ocrevus) für Frauen im gebärfähigen Alter den Hinweis, während der Behandlung mit Ocrelizumab und für 12 Monate nach der letzten Infusion eine Empfängnisverhütung anzuwenden. Bei einer Medikation, die alle 6 Monate infundiert wird, ist die keine sinnvolle Empfehlung, wenn Kinderwunsch besteht. Auch in der Fachinformation des neueren Ofatumumab, das monatlich subkutan injiziert wird, wird eine Empfängnisverhütung für 6 Monate nach der letzten Injektion empfohlen. Somit ist derzeit „offiziell“ eine Schwangerschaft unter B-Zell depletierenden Therapien nicht möglich.

Dies ist aber eine unhaltbare Situation. Zum einen, weil die meisten Schwangerschaften ungeplant auftreten. Zum anderen, weil die hochwirksame B-Zell Depletion bei vielen Patientinnen (mehr der weniger alternativlos) für die Kontrolle der MS benötigt wird.

Von daher ist es bedeutsam, sich diesem Thema wissenschaftlich anzunehmen. Und Daten zu generieren, die Klarheit darüber zu schaffen, ob die Gabe von B-Zell depletierenden Therapien bei gebärfähigen Frauen ein Problem darstellt und wie Kinderwunsch sinnvoll unter einer B-Zell depletierenden Therapie realisiert werden kann. Dieses wichtige Thema haben mehrere Forschergruppen in den letzten Jahren bearbeitet und ihre Ergebnisse auf dem ECTRIMS Meeting 2022 vorgestellt.

Carolin Schwanke aus der Arbeitsgruppe von Kerstin Hellwig (Bochum) hat die klinischen Daten von 49 Kindern analysiert, die potenziell während der Schwangerschaft einer B-Zell depletierenden (anti-CD20) Therapie exponiert waren. Die Zeit zwischen letzter Menstruation und anti-CD20 Exposition betrug im Mittel 50 Tage, wenn die Therapie vor der Schwangerschaft gegeben wurde bzw. 44 Tage, wenn die Therapie während der Schwangerschaft gegeben wurde. Erfreulicherweise zeigten sich bis zu einem Jahr nach der Geburt keine Fehlbildung oder schwere Infektionen. Auf die B-Zell Physiologie hatte die Exposition ebenfalls keinen relevanten Einfluss. Nur bei Exposition im 2. oder 3. Trimenon kam es zu einer Reduktion der kindlichen B-Zellen, die sich aber rasch erholte. Die Autoren kommen daher zu dem Schluss, dass anti-CD20 Therapien bei gebärfähigen Frauen sicher sind und eine Empfängnis kurz nach der letzten Infusion/Injektion geplant werden kann.

Diese Auffassung unterstützt die Auswertung des Schwangerschaftsregisters der Firma Roche im Hinblick auf Ocrelizumab. Die Daten wurden von Celia Oreja-Guevara (Madrid) präsentiert und beruhen auf der Auswertung von insgesamt 2020 Schwangerschaften, die in 35% der Fälle eine in utero Exposition mit Ocrelizumab hatten. Von den 532 prospektiv verfolgten Schwangerschaften mit einer in utero Exposition ist der Verlauf bei 286 Schwangerschaften bekannt: 225 (78.7%) normale Lebendgeburten; 4 (1.4%) ektope Schwangerschaften; 33 (11.5%) therapeutische bzw. elektiv Aborte; 23 (8.0%) spontane Aborte; 1 (0.3%) Totgeburt. Angesichts dieser Zahlen, ergeben sich keine relevanten Sicherheitsaspekte.

Schließlich sind die Auswertungen von 59 Schwangerschaften und Übertritt von anti-CD20 Antikörpern in die Muttermilch, die von Annika Anderson (San Francisco) präsentiert wurden, von großem praktischem Interesse. Zwar konnte ein Übertritt in die Muttermilch festgestellt werden, allerdings mit einer sog. Relative Infant Dose (RID) von < 1%. Im allgemeinen wird eine RID von < 10% als akzeptabel angesehen. Zusammen mit der geringen Bioverfügbarkeit von monoklonalen Antikörpern bei oraler Gabe kann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine kindliche Gefährdung durch Stillen unter anti-CD20 Therapie ausgeschlossen werden. Zudem wurden auch keine Hinweise auf eine Entwicklungsverzögerung der Kinder im weiteren Verlauf gefunden.

Zusammenfassend geben diese Daten wichtige Hinweise, wie Kinderwunsch unter einer Therapie mit Ocrelizumab und anderen B-Zell depletierenden Therapien realisiert werden kann. Es scheint kein Problem darzustellen, eine Schwangerschaft kurz nach der letzten anti-CD20 Gabe zu planen. Ungeplante Schwangerschaften unter anti-CD20 Therapie stellen angesichts der Daten ein kalkulierbares Risiko dar. Den Müttern kann postpartum empfohlen werden, kurz nach Wiederaufnahme der anti-CD20 Therapie ihre Kinder zu stillen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Unsere Website verwendet Cookies und sammelt dabei Informationen über Ihren Besuch, um unsere Website zu verbessern (durch Analyse), Ihnen Social Media-Inhalte und relevante Werbung anzuzeigen. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Seite . Sie können zustimmen, indem Sie auf die Schaltfläche "Akzeptieren" klicken.

Cookie-Einstellungen

Unten können Sie auswählen, welche Art von Cookies Sie auf dieser Website zulassen. Klicken Sie auf die Schaltfläche "Cookie-Einstellungen speichern", um Ihre Auswahl zu übernehmen.

FunktionalUnsere Website verwendet funktionale Cookies. Diese Cookies sind erforderlich, damit unsere Website funktioniert.

AnalyticsUnsere Website verwendet analytische Cookies, um die Analyse und Optimierung unserer Website für a.o. die Benutzerfreundlichkeit.

Social Media, YouTube, VimeoUnsere Website platziert Social Media-Cookies, um Ihnen Inhalte von Drittanbietern wie YouTube und FaceBook anzuzeigen. Diese Cookies können Ihre persönlichen Daten verfolgen.

WerbungUnsere Website platziert Werbe-Cookies, um Ihnen Werbung von Drittanbietern zu zeigen, die Ihren Interessen entspricht. Diese Cookies können Ihre persönlichen Daten verfolgen.

AndereAuf unserer Website werden Cookies von Drittanbietern von anderen Diensten von Drittanbietern platziert, bei denen es sich nicht um Analysen, soziale Medien oder Werbung handelt.