ECTRIMS 2022 (3) – Autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation versus hochwirksame MS-Therapien

Unter Patienten ist die autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation (AHSCT) ein intensiv nachgefragtes Thema. Kurz noch einmal zur Erklärung: Bei der autologen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (AHSCT) geht es nicht um Ersatz oder Reparatur von Nervengewebe,. Diese Möglichkeit der Stammzelltherapie ist noch „Zukunftsmusik“. Die AHSCT ist eine Methode zum „Reset“ des Immunsystems. Die Methode wird von Experten als die derzeit maximal mögliche antientzündliche Therapie bei MS angesehen und ist vor allem bei (jungen) Patienten mit hoher inflammatorischer Last eine Therapieoption. Wer sich genauer informiert möchte, dem sei noch einmal ein DocBlog Text aus dem Jahr 2019 zur Autologen hämatopoetische Stammzelltransplantation ans Herz gelegt.Zu dieser spannenden Therapieoption gab es auf dem ECTRIMS Meeting 2022 einen interessanten Beitrag, der von Tomas Kalincik (Melbourne) im Namen der MS Base Study Group vorgestellt wurde. Ich hatte die MS Base Datenbank bereits in früheren Artikeln vorgestellt. Hierbei handelt es sich um „real world“ Daten von mehreren zehntausend MS-Patienten, die häufig für die statistische Methode des propensity score matching herangezogen werden. Mit dieser Methode können aus dem großen MS Base Datenpool Patienten identifiziert werden, die sich zwar in vielen Parametern ähnlich sind, aber trotzdem differente Therapien erhalten haben.

Für die aktuelle Analyse wurden Patienten, die eine AHSCT erhalten haben, mit Patienten aus dem MS Base Register gematcht, die mit hochwirksamen MS Therapien (Fingolimod, Ocrelizumab, Natalizumab) behandelt werden. Ziel der Analyse war es, die Wirksamkeit der AHSCT mit der der hochwirksamen Therapien zu vergleichen, und zwar im Hinblick auf die Reduzierung von Schüben und der Kontrolle von Behinderungen. Darüber hinaus wurden unerwünschte Ereignisse und die behandlungsbedingte Mortalität nach AHSCT ausgewertet.

Die gematchten Paare hatteneine hohe mittlere Krankheitsaktivität von > 0.9 Schüben in den vergangenen 12 Monaten und einen mittleren EDSS-Wert von 3 -4. Im Vergleich zu Fingolimod (n = 612) traten bei AHSCT (n = 120) weniger Schübe auf (jährliche Schubrate: Mittelwert ± SD 0,20 ± 0,43 vs. 0,11 ± 0,36) bei ähnlichem Risiko einer Verschlechterung des EDSS und höherer Wahrscheinlichkeit einer Besserung der Behinderung. Ocrelizumab (n= 303) und AHSCT (n=91) zeigten eine ähnliche jährlicher Schubrate (0,10 ± 0,39 vs. 0,08 ± 0,33), EDSS-Verschlechterung und EDSS-Verbesserung. Auch bei Natalizumab (n = 606) und AHSCT (n = 116) waren die jährlichen Schubraten nur marginal unterschiedlich (0,12 ± 0,37 vs. 0,09 ± 0,30). Hinsichtlich der Verschlechterung des EDSS waren sich beide Gruppen ähnlich, jedoch wurde häufiger eine Verbesserung des EDSS nach AHSCT im Vergleich zu Natalizumab beobachtet.

Die Autoren schlussfolgern daher, dass die AHSCT bei Patienten mit hochaktiver MS mit moderater Behinderung zwar Fingolimod überlegen ist, jedoch mit Ocrelizumab und Natalizumab in der Prävention von Schüben vergleichbar ist. Neue Aspekte zum Nebenwirkungsprofil der AHSCT ergaben sind nicht, ein Therapie-assoziierter Todesfall nach AHSCT war zu verzeichnen.

Insgesamt wurde der Beitrag kontrovers diskutiert, da er der allgemeinen Wahrnehmung der AHSCT widerspricht, eine allen anderen Maßnahmen hochüberlegene Therapieoption zu sein. Grundsätzlich mag man die Ergebnisse auch mit den methodischen Problemen einer retrospektiven statistischen Analyse begründen können. Auf der anderen Seite sprechen die Daten dafür, dass auch die AHSCT kein Allheilmittel ist und dass vor einer Anwendung die Möglichkeiten der hochwirksamen MS-Therapien konsequent in Betracht gezogen werden sollten.

Zu der Thematik passt im Übrigen auch ein Poster der Kollegen aus Antwerpen, die die Erfahrungen ihres Zentrums mit Patienten, die eine AHSCT nachfragen, analysiert haben. Die Analyse belegt, dass die meisten Patienten, die eine AHSCT einfordern, die Indikation hierzu nicht erfüllen, weil keine klinische oder kernspintomographische Krankheitsaktivität mehr vorliegt. Die Kollegen schlussfolgern daher, dass viel mehr fachgerechte Patientenaufklärung über dieses wichtige Thema erfolgen muss und die Aufklärung nicht allein den vielfältig verfügbaren emotionalen Fallberichten überlassen werden darf.

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