ECTRIMS 2021 (2): Impfen bei Multipler Sklerose – Gemeinsamer Konsensus von ECTRIMS und EAN

Die Pandemie und die Diskussionen über das Impfen von MS Patienten gegen COVID19 hat den Bedarf eines gemeinsamen europäischen Vorgehens gezeigt, was Empfehlungen zur Impfung von MS Betroffenen angeht. Daher haben sich nach dem letzten ECTRIMS Kongress im Jahr 2020 Vertreter der ECTRIMS (European Committee for Treatment and Research in MS) und der EAN (European Academy of Neurology) zusammengesetzt um gemeinsame europäische Standards zur Impfung von MS Betroffenen zu formulieren. Diese Standards wurden auf dem ECTRIMS Kongress 2021 vorgestellt.

Reduzierte Impfantwort? – Dennoch impfen.

Es wurde zu den Themen Sicherheit, Effektivität und Impfstrategie unter Immuntherapien und in speziellen Situationen (wie Schwangerschaft oder kindliche MS) Stellung bezogen. Die Europäischen Experten betrachten Impfungen bei MS Betroffenen grundsätzlich als sicher – es besteht kein erhöhtes Risiko für eine MS oder das Auftreten eines ersten demyelinisierenden Ereignisses, auch ein Zusammenhang zwischen Schüben oder Krankheitsprogression und Impfungen wird nicht gesehen. Grundsätzlich besteht auch kein Unterschied zwischen MS-Betroffenen und der Allgemeinbevölkerung was die Impfantwort angeht.

Was die Impfantwort unter einer Immuntherapie angeht, so werden gewisse Unterschiede zwischen einzelnen Substanzgruppe gesehen, von einer reduzierten Impfantwort bei Behandlung mit anti-CD20 Antikörpern und S1P-Modulatoren (wie Fingolimod) kann aufgrund der aktuellen Datenlage ausgegangen werden, wobei dies keine Kontraindikation für die Anwendung von inaktivierten Impfstoffen bedeutet.

Empfohlene Impfungen bei Multipler Sklerose

Inaktivierte Impfstoffe können grundsätzlich gefahrlos bei MS Patienten unabhängig von der MS Therapie eingesetzt werden. Eine Kontraindikation besteht aber für die Anwendung von attenuierten Lebendimpfstoffen unter immunsuppressiver Therapie. Grundsätzlich empfiehlt das europäische Positionspapier bereits von Einleitung einer Immuntherapie, also so früh wie möglich im Verlauf der MS, den Impfschutz zu aktualisieren. MS Patienten werden neben den

  • Grundimmunisierungen
  • eine regelmäßige Impfung gegen Influenza,
  • ein Schutz gegen Pneumokokken,
  • sowie die Impfung gegen HPV (humanes Papillomavirus)

empfohlen, insbesondere wenn eine Therapie mit Alemtuzumab, Cladribin, S1P-Modualtoren oder anti-CD20 Antikörpern geplant ist. Für MS Betroffene über 50 Jahren wird zudem bei den o.g. Medikamenten eine Impfung gegen

  • Herpes zoster (Gürtelrose)

angeraten. Patienten die anti-CD20-Antikörper erhalten sollen wird eine Immunisierung gegen

  • Hepatitis

empfohlen.

Es zeigt sich somit, dass in Europa ein recht breiter Konsens im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit von Impfung von MS Betroffenen besteht – und mich persönlich freut es dahingehend, dass die Aussagen im wesentlichen mit dem übereinstimmen, was hier von mir im Blog und auch in verschiedenen Videobeiträgen zur Impfung von MS-Betroffenen gesagt wurde.

Ich will diesen Beitrag zur Impfung noch mit der Erwähnung einer Präsentation von Anat Achiron aus Israel abschließen, die für Aufregung gesorgt hat und die sicher auch bald unter MS-Betroffenen heftig diskutiert werden wird.

Fingolimod besser nicht absetzen

Fr. Prof. Achiron hatte ja als eine der ersten Impfdaten von MS Betroffenen aus Israel publiziert (s. auch DocBlog vom 26.04.2021). Sie hat gezeigt, dass sowohl Patienten, die mit anti-CD20-Therapien (Rituximab, Ocrelizumab s. ECTRIMS 2021 (1)) als auch Patienten, die mit S1P-Modulatoren (z.B. Fingolimod) behandelt werden, keine ausreichenden Antikörper gegen SARS-CoV2 entwickeln.

Beim ECTRIMS 2021 hat sie jetzt auch Daten zur T-Zell Antwort vorgestellt und berichtet, dass sie bei Fingolimod-Patienten überhaupt keine T-Zell Antwort gefunden hat. Das sind interessante Daten, die aber nicht unwidersprochen bleiben werden. Aus der Sicht vieler Experten könnte hier ein methodisches Problem vorliegen, da man aus dem Blut von Fingolimod-Patienten aufgrund der Lymphopenie u.U. unzureichendes Material gewinnen kann.

Daher wurde die Empfehlung, die Fr. Prof. Achiron auf der Grundlage ihrer Daten ausgesprochen hat, nämlich vor einer Impfung Fingolimod abzusetzen, als überzogen und ggf. sogar kontraproduktiv gewertet, da ein Absetzen von Fingolimod mit dem Risiko einer erhöhten Krankheitsaktivität einhergehen kann – und allgemein in Europa der Konsens besteht, wie oben berichtet – MS-Betroffene grundsätzlich gegen COVID19 zu impfen, unabhängig von der aktuellen MS-Immuntherapie.

7 Kommentare

  1. Hallo Carmen,
    ich habe bei meiner Behandlung mit OCREVUS ein Faltblatt von Roche erhalten.
    Das Blatt enthällt folgende Daten:
    Impffenster vor der Behandlung mit OCREVUS
    Wartezeit 6 Wochen
    1. Dosis Ocrevus (Die erste Gabe von Ocrevus erfolgt ja in 2 Dosen mit 14 Tagen Abstand)
    Wartezeit 12 Wochen
    Impffenster 6-10 Wochen
    Wartezeit 2-6 Wochen
    2. Dosis Ocrevus
    Wartezeit 12 Wochen
    Impffenster 6-10 Wochen
    Wartezeit 2-6 Wochen
    3. und weitere Dosen Ocrevus
    anschließend wieder wie oben nach der 2. Dosis die Wartezeiten und das Impffenster einhalten.

    Das Blatt enthällt noch eine Bemerkung das auf Basis der prospektiven Studie VELOCE, in der die Imunisierung mit anderen Totimpfstoffen geprüft wurde, der Zeitraum von 12 Wochen nach der letzten bis 4 Wochen vor der nächsten Infusion am besten geeignet ist.

    LG Rolf

  2. Das sind interessante Daten, die aber nicht unwidersprochen bleiben werden. Aus der Sicht vieler Experten könnte hier ein methodisches Problem vorliegen????

    Wir alle sollten offen sein für neue Erkenntnisse. Wenn also eine Studie vorliegt, wonach
    bei Fingolimod keine T-Zell-Antwort gefunden wurde, dann gilt das zumindest solange als erwiesen, bis ein Nachweis erbracht ist, daß die Methode nicht ganz korrekt ist!!!
    In der Wissenschaft leben wir ja nicht vom Vermuten, sondern von Nachweisen!
    MS-Patienten haben einen kompletten Körper und nicht nur MS.
    An einem MS-Schub ist noch keiner gestorben – an Corona viele.
    Das Verhältnis sollte noch eine Rolle spielen.
    Novartis-Beipackzettel von Gilenya (Fingolimod): Stand: 12/2020 (online für alle offen)
    Wie wirkt Gilenya?
    Gilenya hilft, das ZNS gegen Angriffe des Immunsystems zu schützen, indem es bestimmte weiße Blutkörperchen (Lymphozyten) daran hindert, sich frei im Körper zu bewegen, und diese vom Gehirn und vom Rückenmark fernhält. Auf diese Weise wird die durch MS verursachte Nervenschädigung begrenzt. Gilenya reduziert auch einige der Immunreaktionen im Körper.

  3. Ich bekomme alle 6 Monate ocrelizumab. Meine Schwester wurde geimpft mit AstraZeneca und hat seitdem eine Herzmuskelentzündung. Ich habe Angst und lasse mich niemals impfen! Muss ich mich impfen lassen wenn ich Ocrevus bekomme?

    Selberherr Jürgen

    1. Hallo Jürgen,

      Auch ich bekomme Ocrevus und arbeite im Gesundheitsbereich.
      Meine Angst vor einem schweren Corona Verlauf ist unendlich viel Größer, als die Angst vor einer Impfreaktion. Noch NIE hatten wir so genau überprüfte Impfstoffe wie heute, GERADE durch die extrem hohe Anzahl an Impfungen innerhalb kürzester Zeit.
      Wir haben leider auch schon Todesfälle im Bekanntenkreis durch Coronainfektionen.
      Daher meine Bitte an dich und alle anderen: LASST EUCH IMPFEN!!!!!!!
      Mit Ocrevus hast du ja ein Zeitfenster in dem du Geimpft werden kannst und alle vier zugelassenen Impfstoffe sind ja Totimpfstoffe und damit zugelassen. Bei Moderna und Biontech wird der Impfstoff außerdem innerhalb kurzer Zeit vollständig abgebaut so dass es keine Spätfolgen geben kann ( die erst nach längerer Zeit auftreten) und nur noch die Immunantwort deines Körpers bestehen bleibt.
      Gib deinem Herzen einen Schubs und sei Mutig

      Eva

      1. Hallo Eva,
        Meine Tochter,21, wird ebenfalls mit Ocrevus therapiert.
        Bekomme aber widersprüchliche Auskunft über das Zeitfenster.
        Kannst du mir da ne Info geben?
        LG Carmen

        1. Hallo Eva,

          bekomme auch Ocrevus und habe nach der letzen Infusion ein Merkblatt von Roche erhalten wo darauf vermerkt ist, das nach der Gabe von Ocrevus ein Fenster von 12 Wochen einzuhalten ist, in dem nicht geimpft werden kann. Dann gibt es ein Impffenster von 6-10 Wochen und danach wieder ein Fenster ohne Impfung von 2-6 Wochen vor der nächsten Infusion von Ocrevus.
          LG Rolf

  4. Vielen Dank für den informativen Artikel. Ich werde seit ca. 1,5 Jahren mit Flingolimod behandelt und habe nach der Covid-19 Grundimmunisierung laut Antikörpertest keine „exorbitante aber ausreichende Immunantwort“. Dies hat sich auch bewehrt da mein Mann trotz Impfung positiv getestet wurde & 14 Tage Symptome und Quarantäne durchmachen musste, ich jedoch negativ geblieben bin. Ich hoffe bald eine Boosterimpfung zu bekommen und möchte allen LeidensgenossInnen dasselbe empfehlen!

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