Was ist eigentlich PML?

Uns Neurologen ist der Begriff „PML“ schon in Fleisch und Blut übergegangen. Eigentlich muss ich fast dankbar dafür sein, dass mich neulich eine Patientin ganz aufrichtig gefragt hat, was das denn überhaupt sein. Auf die Gefahr hin, dass ich erfahrene MSler, die meinen Blog lesen, langweile, habe ich mir gedacht, ich sollte mal ein paar Zeilen dazu schreiben. Denn diese Nebenwirkung/Erkrankung ist scheinbar doch nicht so gut von MS Patienten erfasst, wie man/Neurologe vielleicht denkt.

PML steht für „progressive mulitfokale Leukenzephalopathie“ – übersetzt heißt das, es handelt sich um einen fortschreitenden Abbau der Myelinscheiden im Gehirn, der auf eine Virusinfektion der Oligodendrozyten (das sind die Zellen, die im Gehirn das Myelin bilden) mit dem JC Virus zurückzuführen ist. JC steht dabei für John Cunningham – so hieß der Patient, bei dem dieser Krankheitserreger erstmals (im Jahr 1971) isoliert wurde.

Die Durchseuchungsrate mit dem JC Virus ist in der deutschen Bevölkerung relativ hoch. Sie liegt im Schnitt so zwischen 40 – 60% und korreliert mit dem Lebensalter (also, je älter, desto wahrscheinlicher, dass man sich irgendwann im Leben mal mit dem Virus infiziert hat). Das Virus ist aber ein recht ruhiger Geselle – nach der Infektion verbleibt es zwar in unserem Körper, wird aber vom Immunsystem lebenslang effektiv in Schach gehalten.

Wenn das Immunsystem aber aus irgendwelchen Gründen zusammenbricht, dann kann das Virus im Gehirn eine PML verursachen. In der Vergangenheit wurde das fast ausschließlich bei AIDS Patienten im Endstadium und schweren Blutkrebserkrankungen beobachtet. Die PML war eine extrem seltene Erkrankung, die allenfalls ein paar AIDS Forscher interessiert hat, Neurologen allerdings nur marginal.

Das änderte sich schlagartig, als klar wurde, dass bei Patienten, die mit dem MS Medikament Natalizumab (Tysabri) behandelt wurden, häufig eine PML beobachtet wurde. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer PML bei Natalizumab-Therapie im Mittel auf 1 :1.000 geschätzt wurde – was immer noch sehr selten ist – so war es im Vergleich zu der zuvor berichteten Wahrscheinlichkeit von 1:1.000.000 ziemlich beunruhigend.

Bis heute wissen wir nicht genau, warum Natalizumab bei einigen wenigen Patienten bewirkt, dass das JC Virus dem Immunsystem entkommen kann und auch nicht, wer ein besonders hohes Risiko für eine solche Nebenwirkung hat (mal abgesehen von der sehr groben Unterteilung von Patienten, die das Virus in sich tragen oder noch nicht haben – auch als Antikörper-positiv und negativ bezeichnet). Das herauszubekommen ist derzeit Gegenstand intensiver Forschungsbemühungen – und wäre auch eine ziemlich wichtige Erkenntnis.

Wir haben aber im Zusammenhang mit der Natalizumab-Erfahrung gelernt, dass jedes Medikament, mit dem wir das Immunsystem beeinflussen, ein potentielles Risiko beinhaltet, dass z.B. eine PML ausgelöst wird. Das ist zwar extrem selten, aber es gibt Fallberichte über PML-Fälle im Zusammenhang mit fast allen wirksamen Immunmedikamenten inclusive Cortison. Daher kann man für keines der derzeit verfügbaren MS-Medikamente, vielleicht abgesehen von den Interferonen und Copaxone, ausschließen, dass eine PML als seltene Nebenwirkung auftritt. Daher ist bei allen Immuntherapien Wachsamkeit das oberste Gebot. Es sei aber auch noch einmal betont, dass dies eine seltene und sporadische Möglichkeit darstellt. Außer bei Natalizumab gibt es bisher kein MS-Medikament, bei dem ein regelmäßiges Auftreten von PML-Fällen beschrieben ist.

Somit ist die PML ein sehr seltener, aber durchaus vorhandener Begleiter, wenn wir das Immunsystem therapeutisch angehen. Auf der anderen Seite kommen wir bei vielen Autoimmunerkrankungen inclusive MS ohne eine Beeinflussung des Immunsystems therapeutisch nicht zum Ziel. So lange die Nutzen-Risiko-Abwägung stimmt, werden wir und v.a. Patienten diese Nebenwirkung in Kauf nehmen müssen – und hoffen, dass wir irgendwann eine verlässliche Risikoabschätzung zur Verfügung haben.

24 Kommentare

  1. mein Sohn ist an PML qualvoll gestorben ! wegen fehldiagnose, der Ärtze in Augsburg, mann sagte er habe MS und schickte ihn in eine Reha ? da ist er fast verhungert weil er keine flüsigkeit und nahrung mehr aufnehmen konnte,kam dan wieder nach Augsburg, und da hat mann dann endlich PML und Aids festgestellt!!!! hätte mann im März 2016 sofort die Diagnose gehabt hätte er noch eine Cance , gehabt,leider konnte er sich mir nicht mehr mitteilen, weil er nicht mehr sprechen konnte, mein Mutter Herz ist gebrochen !!! sehe immer seine schönen Traurigen Augen vor mir ! er ist dann am 25 Juni 2016 eingeschlafen bis Gott ihn weckt ….

  2. mein Sohn ist an PML qualvoll gestorben !!! Falsche Diagnose, mann sagte vor einem halben Jahr er habe MS und schickte ihn, in einer Reha, Obwohl er nicht mehr essen oder reden konnte,da ist er dann fasst verdurstet und verhungert ,!!! schickte ihn dann wieder ins Krankenhaus ,bis mann dann endlich PML Festgestellt hat !!! aber da war es schon zu Spät, da ist bei den Artzen viel schief gelaufen, bin sehr Traurig und untröstlich, wie mann in Augsburg mit meinen Armen Sohn umgegangen ist, es sind mal Eben Gotter in Weiss , !! er war erst 34 ein lebenslustiger ,im leben stehendes Kind !! hatte einen Erfolgreiche Karriere als chef Koch…. ich sehe immer seine schönen Ängstlichen Augen vor mir ,konnte ja leider nicht mehr reden, sein TOT hat mir mein Herz gebrochen !!!

  3. Hallo zusammen, ich möchte auch hier meine Ms/PML Erfahrungen teilen. Ich heiße Birgit ubd komme aus Hamburg. Seit meinem 19. Lebensjahr habe ich MS. Ich bin jetzt 49 Jahre alt. Nach vielen Jahren Rebif mit eher mäßigem Erfolg (mind. ein Schub pro Jahr) wurde ich vor über sechs Jahren auf Tysabri umgestellt. Ich hatte bisher, trotz der langen Erkrankungszeit, ein recht unbeschwertes Leben. Ich war bis vor kurzem voll berufstätig und habe zwei inzwischen erwachsene, wundervolle Söhne, die ich phasenweise allein groß gezogen habe. Mittlerweile bin seit über 8 Jahren wieder glücklich verheiratet. Meine Einschränkungen durch die MS hielten sich über die Jahre in Grenzen.

    Als ich mit Tysabri startete war ich bereits JC+ (Titer 3,14). Meine Ärzte wollten es trotzdem versuchen und ich auch. Nach zwei Jahren wurden meine Ängste vor einer PML immer größer, so dass ich mich entschied damit aufzuhören. Ich hatte dann in fünf Monaten drei schwere Schübe, so dass mir meine Ärzte rieten, mit Tysabri unter verstärkter Überwachung, weiter zumachen (alle drei Monate ein MRT) Was ich tat.

    Es ging mir über sechs Jahre unter Tysabri wunderbar. Ich hatte keine Schübe; keine Nebenwirkungen; kein einziger neuer Herd entstand. Ich fühlte mich „geheilt“. Ich empfand es als ein Wunderheilmittel, was es irgendwie ja auch ist.

    Dann plötzlich Ende September 2016 wurde ein neuer, sehr kleiner Herd im Kleinhirn entdeckt. Ich hatte wenig bis keine Symptome (Sensibilitätsstörungen im Gesicht rechts und Müdigkeit), die ich auf Stress im Job schob. Diese verschwanden nach kurzer Zeit wieder. Wohl deshalb nahm auch meine Neurologin diese nicht ernst.

    Am 27.10.2016 erhielt ich meine 78. und letzte Tysabri Infusion.

    Im nachfolgenden MRT Anfang Dezember 2016 hatte sich der Herd sehr vergrößert, so dass am 1.12.2016 Liquor entnommen wurde. Das Ergebnis kam dann am 13.12.2016 – positiv (43 Kopien/ml). Die Symptome waren zurück, aber immer noch eher schwach: Koordinationsstörungen und Sensibilitätsstörungen in der linken Hand bzw. Fingerspitzen, Müdigkeit sowie immer mal wieder auftretende Sensibilitätsstörungen im Gesicht rechts, die kamen und gingen.
    Ich erhielt stationär drei Plasmapheresen mit jeweils einem Abstand von ein/zwei Tagen (Plasmapherese, ein Tag Pause, Plasmapherese, zwei Tage Pause, Plasmapherese).
    Kurz vor Weihnachten wurde ich Nachhause entlassen. Es ging mir ganz gut.

    Über den Jahreswechsel verschlechterte sich mein Zustand quasi stündlich; am 3. Januar wurde ich wieder stationär im Krankenhaus aufgenommen. Ich konnte nun mittlerweile mein linkes Bein kaum bewegen, die linke Hand war taub und konnte nicht mehr zielgesteuert verwendet werden, ich hatte sehr starken Schwindel und Kopfschmerzen sowie doppelt sehen links. Eigenständiges Fortbewegen ging nur noch mit einem von diese Krankenhausunterarm-Rollatoren.
    Ich erhielt über sieben Tage jeweils 1 g Kortisoninfusionenen. Zusätzlich versuchen die Ärzte mein Immunsystem durch die Off-Label Verwendung von Maraviroc (Celsentri), ein für die Aidsbehandlung zugelassenem Medikament, positiv zu beeinflussen. Seit zwei Wochen bin ich nun wieder Zuhause. Wenn ich zurück blicke geht es mir heute besser als an dem Tag meiner Entlassung (11. Januar). Ich kann mich innerhalb unserer Wohnung relativ gut bewegen. Alle Symptome sind etwas besser geworden. Das Cortison wurde mittlerweile auf 75 mg/Tag reduziert; Maraviroc erhalte ich nach wie vor 2 x 600 mg pro Tag. Im letzten MRT von vorgestern, Montag, zeigen sich die PML Herde leicht rückläufig, die IRIS scheint derzeit überwunden. Es wird kein Kontrastmittel mehr angereichert. Nächstes MRT am kommenden Montag.
    Wenn ihr mich heute fragt: Würdest du dich mit dem Wissen von heute noch mal für Tysabri entscheiden? Ich will ehrlich sein: Ich weiß es nicht. Es war ein tolles Gefühl, sich gesund zu fühlen. Allerdings gibt es eben diese eine, wirklich sehr schwerwiegende Nebenwirkung, die alles verändern kann. Und die Wahrscheinlichkeit ist eben nicht 1 zu 1.000.000 sondern lag in meinem Fall bei ungefähr 2,irgendwas von 1.000. Und trotzdem habe ich mich sicher gefühlt und wirklich nicht damit gerechnet, dass es nun gerade mich treffen wird.

    Danke fürs Lesen. Ich hoffe, jemand profitiert heute oder später von meinen Ausführungen.

    Liebe Grüße
    Birgit

  4. Ich nehme Tecfidera nun auch schon ein Jahr,und erlitt waehrend dieser Zeit keinem weiteren Schub.Meine Blutwerte sind normal,nur zu Therapiebeginn hatte ich erhoehte Leberwerte.

  5. Hallo,
    ich habe am Montag mit Tecfidera angefangen.
    Ich bin mir nicht sicher ob das der richtige Weg ist.
    Ich habe Rebif, Tysabri, Copaxone, Gilenja genommen.
    Unter den Therapien hatte ich keine Schübe aber eine Progredienz.
    Jedes Mal wenn ich ein Medikament abgesetzt habe,
    hatte ich 6 Mon. danach einen großen Schub.
    Im August starb mein Freund, dann wollte ich,
    um eine PML auszuschließen ein MRT machen.
    Dabei wurde eine Lymphopenie festgestellt, ich musste Gilenja absetzen.
    Habe am Montag mit Tecfidera angefangen.
    Was halten Sie davon?
    Ein JC Virus Test wurde nie gemacht.
    CD4 und Cd8 Lymphozyten auch nicht.
    Macht man das erst bei einem Verdacht?
    Danke

  6. Hallo Herr Dr. Mäurer,
    mein Lebensgefährte ist kurz vor der 100. Tysabri Infusion, Anfang März diesen Jahres An PML erkrankt.
    Ich führe eine Art Tagebuch über seine PML und wie wir damit als Familie umgehen. Vielleicht interessiert sich jemand dafür. Man mag uns besuchen unter dieser Seite
    https://www.facebook.com/F.U.PML

  7. Ich nehmen Tysabri jetzt seit 2 Jahren und bin der Meinung – hätte ich schon früher damit begonnen – ich würde noch Laufen können. Hab vor der PML keine Angst, nur Respekt. Werde auch engmaschige mit Labor und MRT überwacht.

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