Bei Multipler Sklerose wird die Rolle von Vitamin D immer noch kontrovers diskutiert. Es besteht zwar kein Zweifel, dass Vitamin D für die Empfänglichkeit (Suszeptibilität), an MS zu erkranken, ein Risikofaktor ist. Bisher fehlen aber überzeugende Studien, die belegen, dass die Supplementierung von Vitamin D einen relevanten therapeutischen Effekt hat.
Insbesondere für die (ultra)hoch dosierte Vitamin D-Einnahme (Stichwort Coimbra Protokoll) gibt es keine Evidenz, im Gegenteil, es mehren sich eher die Berichte über ernstzunehmende Nebenwirkungen bei Einnahme von sehr hohen Vitamin D-Dosen.
In der Praxis empfehlen die meisten Ärzte – insbesondere vor dem Hintergrund der epidemiologischen und immunologischen Daten zu Vitamin D – eine moderate Vitamin D-Supplementierung und achten darauf, dass ein Vitamin D-Mangel bei MS adäquat substituiert wird. Obwohl ich meine Patienten grundsätzlich darauf hinweise, dass eine Vitamin D-Supplementierung eine fakultative Maßnahme darstellt, verschreibe ich – wenn ein Patient oder eine Patientin Interesse an einer Vitamin D-Supplementierung bekundet – die (übliche) Dosis von 1000 – 2000 IE täglich bzw. die 1x wöchentliche Supplementierung mit 20.000 IE.
Studienergebnisse D-lay MS
Auf dem letzten ECTRIMS Kongress in Kopenhagen (September 2024) gab es Neuigkeiten zum therapeutischen Einsatz von Vitamin D bei Multipler Sklerose. Die französischen Kollegen haben mit der sog. „D-lay MS“-Studie die Ergebnisse einer multizentrischen Studie vorgestellt, die den Einsatz von hochdosiertem Vitamin D bei Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom im Vergleich zu Placebo untersucht hat . Dass die Studie lange gebraucht hat, um die erforderliche Anzahl von Teilnehmern zu rekrutieren, erkennt man daran, dass seit der Revision der McDonald Kriterien im Jahr 2017 schon das erste klinische Ereignis (=CIS) in den meisten Fällen zur Diagnosestellung einer frühen MS führt.
In die Studie wurden insgesamt 303 Patienten mit einem ersten klinischen Ereignis eingeschlossen. 156 Patienten erhielten 100.000 IE Vitamin D alle zwei Wochen (also eine vergleichsweise hohe Dosis), 147 Patienten erhielten Placebo. Bei der untersuchten Kohorte handelte es sich um jüngere Betroffene mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren, die im Mittel 60 Tage nach dem Erstereignis in die Studie eingeschlossen und für 24 Monate beobachtet wurden.
Der primäre Endpunkt der Studie war das Auftreten von Krankheitsaktivität, entweder in Form eines erneuten klinischen Schubs oder dem Auftreten neuer MRT-Läsionen (sowohl in Form von KM-aufnehmenden Läsionen als auch neuen T2 Läsionen). Den primären Endpunkt erreichten in der Placebogruppe erreichten 109 Patienten (74,1 %) wohingegen in der Vitamin D Gruppe nur 94 Patienten (60,3 %) den Endpunkt erreichten, was einen statistisch signifikanten Unterschied zugunsten der Vitamin D-Gruppe darstellt. Schaut man sich die Ergebnisse differenzierter an, so zeigt sich, dass es weniger die klinischen Schübe sind, die verhindert werden, sondern eher die MRT-Aktivität, die durch die Einnahme von Vitamin D vermindert wird: eine Beobachtung, die so auch schon in anderen Therapiestudien mit Vitamin D gemacht wurde.
Im Übrigen haben die Autoren die Ergebnisse auch unter Anwendung der McDonald Kriterien von 2017 reevaluiert. Demnach erfüllten 89 % der „CIS“-Patienten die Kriterien einer frühen MS. Auch unter Zugrundelegung dieser Stichprobe ergab sich keine Änderung der Ergebnisse. Es wurde zudem eine ausführliche Subgruppen-Analyse durchgeführt, um herauszufinden, welche Patienten am meisten von der Vitamin D- Supplementierung profitiert haben. Hier zeigte sich, dass v.a. Patienten mit manifestem Vitamin D-Mangel profitieren.
Die Autoren kommen somit zu dem Schluss, dass Vitamin D einen moderaten antientzündlichen Effekt hat und aufgrund seines guten Sicherheitsprofils MS-Patienten verordnet werden sollte – durchaus auch mit den in der Studie verwendeten hohen Dosen. Vor allem sollten Patienten behandelt werden, die einen Vitamin D-Mangel aufweisen.
Neue Aspekte in der klinischen Versorgung?
Nun stellt sich die Frage, ob sich durch diese Studie neue Aspekte in der klinischen Versorgung von MS-Patienten ergeben. Ich meine eher nein. Vitamin D bei MS-Betroffenen mit Vitamin D-Mangel zu substituieren, ist anerkannte Praxis. Der durch die Studie erneut belegte moderate antientzündlichen Effekt von Vitamin D rechtfertigt eine Supplementierung von Vitamin D. Die Studie belegt aber auch, dass eine solche Supplementierung allein nicht ausreicht und auf eine zusätzliche immunmodulierende MS-Therapie nicht verzichtet werden sollte. Dafür haben in beiden Gruppen zu viele Patienten im Beobachtungszeitraum erneute Entzündungsaktivität gezeigt. Demnach komme ich zu dem Schluss, dass die pragmatische Herangehensweise, die aktuell mit der Supplementierung von 1000 – 2000 IE/Tag bzw. 20.000 IE/Woche durchgeführt wird, durch die französische Studie gestützt wird und keiner weiteren Anpassung bedarf. Da diese Studie qualitativ sehr gut gemacht ist, würde ich auch bezweifeln, dass uns weitere Vitamin D-Therapiestudien wirklich noch überraschen werden.
Wie sieht es denn bei einer so hohen Dosis Vit. D mit den Nieren aus?
Hallo
Mich würde interessieren, ob Vitamin D bei älteren MS-Erkrankten auch eine geringere
MRT-Aktivität verursacht.
Ich nehme seit Jahren täglich 10000IE Vitamin D3 mit Vitamin K2 und Magnesium.
Ich habe leider jedes Jahr einen Schub aber keine MRT-Aktivität.
Was dazu führt, das Neurologen behaupten, dass ich mir das wohl einbilde.
Bekommst du während des MRT ein Kontrastmittel gespritzt?
Bin sehr froh, für Informationen ,habe schon sehr viele Schübe erlebt !
aber zum Glück, darf ich nicht klagen .
Bin zum Teil noch gehfähig. Aber bin immer froh für gute MS Artikel
Sollte nicht statt der Abgabemenge ein Zielwert für den Vitaminspiegel im Blut festgelegt werden?
Und gibt es Zahlen, zu den Vitaminspiegeln der beiden Kohorten? Dann könnte man ja sagen, dieser Spiegel ist eher zu niedrig und der andere Spiegel sollte anvisiert werden.
Danke für die regelmäßgen Infos.