Virtuelle Selbsthilfe

Es wird ja immer wieder betont, dass die Corona-Krise auch positive Auswirkungen habe – auf die Natur, das Klima, die Verkehrssituation. Das ist sicherlich richtig – da wir in den letzten Jahrzehnten auf Kosten der Natur über unsere Verhältnisse gelebt haben, freue ich mich natürlich, wenn die Natur und die Innenstädte von der aktuellen Situation profitieren.

Trotzdem tue ich mich schwer, dieser Pandemie wirklich etwas Positives abzugewinnen. Letztlich müssen wir doch viele Veränderungen verkraften, und vor allem die Verknappung der sozialen Kontakte (sofern man die Verhaltensregeln ernst nimmt) ist eine große Belastung. Ich denke, man merkt jetzt doch sehr deutlich, dass der Kontakt zu Freunden, Bekannten, aber auch allen anderen Menschen eine ganz entscheidende Komponente unseres Lebens ist, viel wichtiger als alles andere.

Und ich glaube, mit einer chronischen Erkrankung wiegt dies noch schwerer. Die Beschränkung persönlicher Kontakte beinhaltet hier ja auch die Restriktionen beim Zugang zu Therapien wie Physiotherapie, Ergotherapie oder allen anderen Arten medizinischer Trainingstherapie, zur ärztlichen Versorgung – auch wenn das jetzt, Gott sei dank, alles wieder etwas besser wird.

Außerdem leidet insbesondere die Selbsthilfe unter der derzeitigen Situation und viele Kontaktgruppenleiter dürften verunsichert sein, wie sie sich aktuell verhalten sollen. Die AMSEL hat es Ende Mai geschafft, einen wirklich phantastischen virtuellen Welt-MS-Tag auf die Beine zu stellen, aber ersetzen können solche Formate den persönlichen Kontakt meiner Meinung nach nicht. Ich hatte das Vergnügen, bei dem ersten virtuellen Welt-MS-Tag dabei zu sein und ich denke, ein solches Format hat Potential für die Zukunft, insbesondere beim Thema Fortbildung. Viele Teilnehmer fanden wohl auch die Unverbindlichkeit des Formates und den Wegfall der Reisetätigkeit sehr angenehm. Außerdem wurde die Möglichkeit, sich gezielt Themen herauszusuchen, sehr geschätzt. Trotzdem fehlt aus meiner Sicht der Charme einer realen Veranstaltung, der vor allem auf den persönlichen Begegnungen zwischen den Teilnehmern untereinander, aber auch zwischen Teilnehmern und Referent gründet.

Auch deswegen sollten nach Möglichkeit die aktuellen Lockerungen der Kontaktbeschränkung dazu genutzt werden, die Selbsthilfe vor Ort wieder ans Laufen zu bringen – wenn auch Sorgen um die Gesundheit der Teilnehmer in diesem Zusammenhang berechtigt sind. Denn häufig treffen sich in den Ortsgruppen Patienten, die schon älter sind, dadurch auch unter Herz-Kreislauf Erkrankungen leiden und von Seiten der MS motorisch deutlicher beeinträchtigt sind. Es handelt sich somit um eine Patientengruppe, die nach unserem derzeitigen Wissen als Risikogruppe betrachtet werden kann.

Dennoch denke ich, dass es aus medizinischer Sicht vertretbar ist, die klassischen Formate der Selbsthilfe aktuell wieder durchzuführen. Die Infektionszahlen sind derzeit gering und der Sommer erlaubt es,  Aktivitäten nach draußen zu verlegen, oder zumindest in gut belüfteten Räumen zu tagen. Dabei versteht sich natürlich, dass die generellen Regeln beachtet werden müssen – das ist in erster Linie die Abstandsregel und eine entsprechende Händehygiene. Auch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes während der Treffen ist sinnvoll, trübt aber zugegebenermaßen das Gemeinschaftserleben und ist für ältere Menschen mitunter sehr unangenehm, insbesondere über längere Zeiträume. Durch Begrenzung der Personenzahl (um den 2 m Abstand zu gewährleisten) und/oder die Verlagerung nach draußen, könnten diese Unannehmlichkeiten konzeptionell umgangen werden.

Insgesamt glaube ich, dass der Nutzen der persönlichen Kontakte, auch im Hinblick auf die psychische Gesundheit von MS-Erkrankten aktuell deutlich größer ist als das Risiko von Kontaktgruppentreffen. Zusätzlich ist es aber gut, dass das Potential virtueller Formate derzeit ausgeschöpft wird, denn ich bin überzeugt, dass die „virtuelle Selbsthilfe“ in der Zukunft einen wichtigen Beitrag zum Informationsgewinn leisten wird und die Informationsbeschaffung durch diese Formate auch einfacher wird. Also, doch ein kleiner positiver Aspekt der Pandemie…

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