Umstellung von Natalizumab auf Ocrelizumab

Tysabri ® (Wirkstoff Natalizumab) ist ein hochwirksames Medikament, hat aber das nicht zu vernachlässigende Problem des PML-Risikos – dieses Statement haben Sie hier ja schon häufiger gelesen. Trotz dieser Ernst zu nehmenden Nebenwirkung vertrete ich den Ansatz, dass man Patienten, die stabil auf Natalizumab eingestellt sind, nicht unkritisch absetzen oder umstellen sollte. Es ist aus ärztlicher Sicht aber keine Frage, dass man einen Therapiewechsel vornehmen sollte, wenn ein JCV-Antikörper positiver Patient Angst vor einer PML äußert und diese Ängste seine Lebensqualität beeinträchtigen. Eine Umstellung sollte man planvoll vornehmen, und man sollte vor allem auf eine Therapie umstellen, die eine ähnlich starke klinische Wirkung besitzt. Es zeichnet sich ab, dass Ocrelizumab (Ocrevus ®) bezüglich seiner Wirkstärke eine gleichwertige Alternative darstellen könnte. Diese Ansicht gründet sich nicht nur auf die Studiendaten von Ocrelizumab, sondern auch auf den guten Erfahrungen, die man mit der Vorgängersubstanz Rituximab vor allem in Schweden gemacht hat, wo Rituximab regelmäßig zur Behandlung der MS eingesetzt wird. Dementsprechend hat die Frage der Umstellung von Natalizumab auf Ocrelizumab eine praktische Relevanz. Wie sollte man vorgehen?

Wenn auch nach realistischer Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen von Natalizumab der Wunsch besteht, einen Therapiewechsel vorzunehmen, sollte man Natalizumab zu einem vereinbarten Zeitpunkt absetzen. Grundsätzlich sollte zum Zeitpunkt des Absetzens ein aktuelles MRT vorliegen, denn eine Hauptsorge bei der Umstellung auf ein anderes immunaktives Medikament ist eine sog. „Carry over“-PML. Das bedeutet, dass unter der bisherigen Therapie mit  Natalizumab das JC-Virus schon in das Hirn eindringen konnte und subklinisch zu einer Infektion geführt hat, die (noch) nicht bemerkt wird – eine solche Carry-over-PML ist bisher bei fünf Patienten nach Umstellung auf Ocrelizumab aufgetreten.

Eine derartige subklinische Infektion kann man häufig bei sorgfältiger Betrachtung der MRT-Aufnahmen ausschließen – dementsprechend ist ein unauffälliges MR bei Absetzen von Natalizumab schon ein beruhigender Befund. Die Pause zwischen Absetzen von Natalizumab und dem Beginn von Ocrelizumab sollte nicht zu lange sein – ein sinnvolles Intervall sind ca. 6 – 8 Wochen, so lange hält die Wirkung von Natalizumab auf jeden Fall vor.

Vor Beginn der Therapie mit Ocrelizumab gibt es unterschiedliche Empfehlungen für Sicherheitsmaßnahmen. Ich empfehle die erneute Anfertigung eines MRT unmittelbar bei Beginn von Ocrelizumab – zum einen,  weil ein solcher Ausgangsbefund im Hinblick auf Sicherheit und Wirksamkeit sowieso gefordert ist; zum anderen, weil ich mit dieser Aufnahme – auch im Vergleich mit der bei Absetzen von Natalizumab  durchgeführten Aufnahme – nochmals verlässliche Hinweise auf das Vorliegen einer „Carry-over“-PML bekomme. Ich bin der Meinung, dass bei vollkommener klinischer und MR-tomographischer Stabilität eine Umstellung ohne weitere Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen werden kann.

Für den Fall, dass die Bilder jedoch Zweifel aufkommen lassen, sollte vor Beginn von Ocrelizumab noch eine Lumbalpunktion mit einer JC-Virus-PCR durchgeführt werden. Ist dieser Virusdirektnachweis aus dem Nervenwasser (Liquor) negativ, kann die Umstellung durchgeführt werden.

Viele Kollegen empfehlen vor Umstellung von Natalizumab auf Ocrelizumab generell die Durchführung einer Lumbalpunktion, um die Sicherheit zu erhöhen (wobei sie auch bei negativer PCR nicht 100% ist). Ich denke, man sollte den Patienten, der ja immerhin die Prozedur der Lumbalpunktion ertragen muss, in die Entscheidung einbeziehen. Wenn der Patient auf die zusätzliche Sicherheit durch die Lumbalpunktion Wert legt, dann sollte man die Punktion in jedem Fall durchführen.

Hält man sich an diese Regeln, kann aus meiner Sicht relativ sicher eine Umstellung vorgenommen werden.

6 Kommentare

  1. Hallo Dr. Mäurer,

    gibt es auch Erfahrungswerte, wenn man von Tysabri (pos. JCV Virus) auf Kesimta oder Retux umsteigen möchte? Wäre sehr dankbar für eine Antwort.

    Viele Grüße
    C. Mayer

  2. Vielen Dank für ihren Ratschlag mit der Lumbalpunktion. Wäre es nicht sinnvoller, wenn sie mit ihrem gesammelten Wissen endlich mal eine KKNMS Leitlinie zur Verabreichung von Ocrelizumab verfassen würden? Wäre über ein Jahr nach dessen Zulassung auch mal Zeit. Oder?

    Oder haben sie etwa Angst davor, dabei irgendwelche Richtlinien zum regelmäßigen Monitoring der Lymphozytenwerte vor erneuter Verabreichung zu erstellen?

    Und wenn ein regelmäßiges Monitoring endlos aufdecken würde, dass die CD19/CD20 Werte idR. viel zu niedrig sind für die erneute Gabe von Ocrevus so dass Infusionsabstände eigentlich deutlich weiter auseinander liegen müssten? Wäre natürlich schlecht für die Umsätze von Roche…

    Durch fehlende Leitlinien erzeugen sie eine Generation von Ocrevus Patienten, bei den manche nicht mal in der Lage sind, entsprechende B-Lymphozyten im Rückenmark nachzubilden.

    Und sollten dann mal die ersten PML Fälle gemeldet werden oder, noch besser, Todesfälle wie bei den Zulassungsstudien zu Lupus und Arthritis aufgrund von Infektionen bedingt durch verschwundenen B-Zellen und es wieder einen weiteren Rote Hand Brief von der EMA gibt, werden Sie alle wieder die Köpfe schütteln als ob sowas doch nie hätte passieren können…

    Klinische Erfahrungen mit Rituximab sollen gleichwertig sein zu denen mit Ocrevus? Ocrevus hat eigentlich eine 10 fach höhere Wirkungsdosis…

    Für wie naiv werden wir noch gehalten…

  3. „Hält man sich an diese Regeln, kann aus meiner Sicht relativ sicher eine Umstellung vorgenommen werden.“

    Das glaube ich gerne, was aber langfristig passieren kann wird man dann ja sehen.

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