Darauf haben viele gewartet – die Ergebnisse der SOLAR Studie, eine Phase II Studie, die die Wirkung von hochdosiertem Vitamin D als Add-on Gabe zu einer immunmodulatorischen Therapie mit Interferon-beta 1a s.c. untersucht hat. In die Studie wurden 229 schubförmige MS-Patienten eingeschlossen, die bereits stabil auf Interferon-beta 1a 3 x 44 µg/Woche eingestellt waren und deren Vitamin D3 Spiegel < 150 µmol/l betrug. Diese Patienten wurden 1 : 1 entweder in die Gruppe Interferon + Vitamin D oder Interferon + Placebo randomisiert. Die beiden Gruppen waren hinsichtlich der meisten Basisparameter homogen, allerdings waren die Patienten der Interferon + Placebo Gruppe im Gegensatz zu der Interferon + Vitamin D3 Gruppe im Mittel etwas länger erkrankt (14.8 Monate vs. 10.4 Monate).Die Behandlungsgruppe erhielt 6670 IU täglich über 4 Wochen, gefolgt von 14.007 IU täglich für den Rest des Studienzeitraums. Die Studie war ursprünglich für zwei Jahre angelegt, wurde aber aufgrund von Rekrutierungsproblemen auf 48 Wochen beschränkt. Dafür wurde als primärer Endpunkt NEDA gewählt (NEDA = no evidence of disease activity, was soviel heißt wie „kein Hinweis auf Krankheitsaktivität“ und zwar im Hinblick auf Schübe, Behinderungszunahme und neue Kernspinherde). Sekundäre Endpunkt waren die jährliche Schubrate, die Kranheitsprogression gemessen an der EDSS und verschieden MRT-Parameter.
Um es kurz zu machen – der primäre Studienendpunkt, der darüber entscheidet, ob eine Studie negativ oder positiv zu bewerten ist, wurde nicht erreicht. Im Hinblick auf NEDA ergab sich keine Unterschied zwischen Interferonpatienten mit oder ohne Einnahme von hochdosiertem Vitamin D. Keinen Hinweis auf Krankheitsaktivität haben 37,2% der Behandlungsgruppe und 35,3% der Placebogruppe erreicht. Auch ein wichtiger sekundärer Endpunkt wurde verfehlt. Es ergab sich kein Hinweis für eine Verzögerung der Behinderungprogression bei Einahme von Vitamin D. Die jährliche Schubrate wurde durch die Einnahme von Vitamin D reduziert (0,28 in der Behandlungsgruppe vs. 0,41 in der Placebogruppe), allerdings war dieses Ergebnis statistisch nicht signifikant – hier war nur ein Trend erkennbar. Ein signfikanter Unterschied ergab sich aber hinsichtlich der MRT-Aktivität, die unter Einnahme von Vitamin D vermindert war.
Somit ist die Studie eigentlich „nicht Fisch, nicht Fleisch“. Auf der einen Seite wurde der primäre Endpunkt verfehlt – damit ist die Studie negativ; für den Einsatz von Vitamin D als Intervention bei MS gibt es demnach keine Evidenz. Auf der anderen Seite zeigen einige der sekundären Endpunkte entweder eine gutes Ergebnis (MRT) oder zumindest einen Trend zugunsten einer erwünschten Reduktion der Entzündungsaktivität. Vor dem Hintergrund, dass die Studie sehr kurz war und das Design aufgrund einer schlechten Rekrutierung geändert werden musste, stehen wir aus meiner Sicht nicht viel klüger da als vorher.
Klar, es gibt jetzt vielleicht keinen Grund MS-Patienten mit einer hochdosierten Vitamin D Therapie zu behandeln – aber es gibt auch nicht genügend Gründe auf die pragmatische Vitamin D -Substitution, so wie sie derzeit bei vielen MS-Patienten vorgenommen wird (Dekristol 20.000 IU 1x pro Woche etc.) zu verzichten. Also, letztlich bleibt alles beim Alten.
Vitamin D und MS bleibt als Thema bestehen bezüglich der Anwendung großer Dosen.
Die Studie läuft noch:
„Coimbra-Protokoll in der MS Eine Beobachtungsstudie für Patientinnen und Patienten mit
schubförmiger Multipler Sklerose“
von
NeuroCure Clinical Research Center (NCRC)
Charité – Universitätsmedizin Berlin
AG Klinische Neuroimmunologie
Studienambulanz
Leitung: Prof. Dr. Friedemann Paul
und eine andere ist 2021 mit MS Patienten mit „Coimbra Protokoll“ abgeschlossen, sehr erfreulich:
„Vitamin-D-Resistenz als mögliche Ursache von Autoimmunerkrankungen: Eine Hypothese, die durch ein therapeutisches Hochdosis-Vitamin-D-Protokoll bestätigt wird“
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8058406/#SM1
Es wäre wirklich sinnvoll, wenn es Studien gäbe die aussagekräftig sind. Ich bin weder Dr. noch Prof. und wenn 2 Meinungen bestehen, wem ist dann zu glauben?
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3897595/
1.Prof. Spitz: https://www.youtube.com/watch?v=yQ1QB_gGadM
2.Prof. Coimbra: https://www.youtube.com/watch?v=jquQjPxdRKY (english)
3.Prof. Carlberg: https://www.facebook.com/coimbraprotokoll/videos/c-carlberg…/354109668411852/
4.Prof. Holick: https://www.youtube.com/watch?v=LomrpRTia1U (german)
4.Prof. Holick: https://www.youtube.com/watch?v=NuWC2d0mTbo (english)
5.Prof. Mäurer: https://www.dmsg.de/service/mediengalerie/ms-videos/
Frage mich auch wie eine Verringerung von über 30% als nicht signifikant bezeichnet werden kann. Naja ich werde weiter munter Vitamin D nehmen.
Es fällt mir so unfassbar schwer zu begreifen, dass sich eher Probanten für eine Medikamentenstudie finden, an welchem bereits ein Mensch während einer Studie verstarb, als sich an einer Vitamin D Studie zu beteiligen.
Ihr Kollege PD Dr. med. Mathias Buttmann, Oberarzt der Neurologischen Universitätsklinik Würzburg, bewertet die Ergebnisse doch recht anders:
„PD Dr. Buttmann: In der SOLAR-Studie wurde hoch dosiertes Vitamin-D3-Öl mit Placebo verglichen bei 229 Patienten mit schubförmiger MS, die vor und während der Studie außerdem alle mit Interferon- behandelt waren. Die ursprünglich für eine Dauer von 96 Wochen geplante Studie hatte ziemliche Schwierigkeiten, genügend Studienteilnehmer zu finden, so dass während der Studie das Design geändert wurde. Man entschloss sich zu untersuchen, wie viele Patienten nach 48 Wochen NEDA-Status hatten. NEDA steht für „No Evidence of Disease Activity“ und bedeutet, dass während des gesamten Zeitraums der Studie weder klinisch noch im Kernspintomogramm Zeichen von Krankheitsaktivität zu erkennen waren. Die schlechten Nachrichten zuerst: Der Anteil an Patienten mit NEDA unterschied sich nicht zwischen beiden Behandlungsarmen, auch unterschied sich nicht das Risiko, neu eine bleibende Behinderung zu entwickeln. Nun die guten Nachrichten: Die Schubrate war in der Vitamin-D-Gruppe um 30% niedriger, auch wenn der Unterschied in dieser relativ kleinen Studie nicht signifikant war; und hierzu passend und für die Interpretation noch wichtiger: Die kernspintomographische Krankheitsaktivität war in der Vitamin-D-Gruppe hoch signifikant um 32% niedriger als in der Gruppe mit Scheinmedikament. Es gab keine Verträglichkeits- oder Sicherheitsprobleme. In der zweiten, kleineren Studie wurde in einem ähnlichen Studienaufbau hoch dosiertes Vitamin D mit Placebo verglichen in gleichzeitig mit Interferon- behandelten Patienten mit schubförmiger MS. Die Vitamin-D-Gruppe hatte eine hoch signifikant deutlich niedrigere kernspintomographische Krankheitsaktivität. Außerdem wurde die Schubrate durch Vitamin D bei den Patienten, die die Studie komplettierten, über 2 Jahre um 60% reduziert.“
https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/Therapeutische-Hoehepunkte-vom-ECTRIMS-Kongress-2016_6608