Wie schon im vorherigen Artikel „Neues vom ECTRIMS (1)“ gesagt: Wir sind mittlerweile sehr gut darin, die fokale Inflammation bei MS zu kontrollieren – also die entzündliche Reaktion, die durch den Einstrom peripherer Immunzellen in das zentrale Nervensystem ausgelöst wird. Diesen pathophysiologischen Prozess können wir mithilfe von hochwirksamen MS-Therapien, u.a. anti-CD20 Antikörpern, sehr effizient unterdrücken.
Neben den fokalen entzündlichen Läsionen findet man bei neuropathologischen Untersuchungen von MS-Hirnen aber noch einen anderen Läsionstyp, die sog. chronisch-aktiven Läsionen, die insbesondere an ihren Rändern durch die Aktivierung myeloider Zellen (also Makrophagen und Mikroglia) gekennzeichnet sind. Die Gruppe von Tanja Kuhlmann aus Münster konnte kürzlich zeigen, dass die Breite dieses Randes aus myeloiden Zellen mit dem Schweregrad der Erkrankung korreliert. Dementsprechend spielen die Vorgänge an den Rändern inaktiver Läsionen wahrscheinlich eine entscheidende Rolle für die Krankheitsprogression bei MS. Damit stellt diese sog. „nicht-fokale Entzündung“ (non-focal disease biology) ein ganz wesentliches Ziel für neue therapeutischen Entwicklungen dar.
Tolebrutinib und Paramagnetische Randläsionen
Einen Teil dieser chronisch-aktiven Läsionen kann man mittlerweile durch moderne MRT-Techniken darstellen, die auch Einzug in die neuen McDonald Diagnosekriterien gehalten haben. Die sog. paramagnetic rim lesions (PRL) beruhen auf der Darstellung von Eisenablagerung in myeloiden Zellen, wodurch chronisch aktive Läsionen sichtbar gemacht werden können. Bei einer Subgruppenanalyse der HERCULES Studie (Tolebrutinib bei SPMS) konnte gezeigt werden, dass die Wirkung des BTKi Tolebrutinib auf die Krankheitsprogression bei der Subgruppe der Patienten mit den meisten PRLs am deutlichsten war. Somit besteht auch weiterhin berechtigte Hoffnung, dass die BTKi die Tür zur Behandlung der progressiven MS aufgestoßen haben und eine Wirkung auf die „non-focal MS biology“ haben.
Frexalimab und Biomarker
In diesem Zusammenhang sind auch die Substudien zu Biomarkern aus der Phase II Studie zu Frexalimab, einem Antikörper gegen CD40L von Interesse. CD40L ist ein Oberflächenprotein, das für die Kommunikation zwischen T-Zellen und myeloiden Zellen von Bedeutung ist. Daher sind neben den guten klinischen Ergebnissen dieser Phase-II-Studie auch die Veränderungen der Biomarker-Profile adaptiver und angeborener Immunzellen erwähnenswert. Es zeigte sich, dass u.a. der Marker für aktivierte Makrophagen/ Mikroglia durch die Gabe von Frexalimab im Studienverlauf deutlich abgenommen hat.
Vidofludimus Calcium und sekundäre Endpunkte
Die Ergebnisse der CALLIPER Studie zu Vidofludimus Calicum wurden ebenfalls auf dem diesjährigen ECTRIMS vorgestellt. Auch von diesem Molekül verspricht man sich aufgrund seiner ZNS-Gängigkeit und der über Nurr-1 vermittelten Effekte auf Mikrogliazellen einiges. Leider hat die Studie aber ihren primären Endpunkt (Verminderung der Hirnatrophie gegenüber Placebo) verfehlt. Einige Ergebnisse zu sekundären Endpunkten legen jedoch nahe, dass auch dieses Medikament noch Potenzial hat.
Die Studien zeigen allerdings auch, wie entscheidend die Wahl des primären Endpunktes ist. Damit stellt sich aber auch die Frage, ob wir aktuell mit den richtigen Endpunkten arbeiten, die in der Lage sind, die wesentlichen Effekte neuer Substanzen abzubilden. Wahrscheinlich benötigen wir sensitivere Messmethoden, um die Beeinflussung der nicht-fokalen Biologie der MS besser abzubilden.






