Neue Zelltherapeutische Ansätze

Derzeit ereignet sich in der Krebstherapie durch die Einführung der sog. CAR-T-Zellen eine kleine Revolution. Diese dynamischen Entwicklungen wirken sich jetzt auch zunehmend auf andere Gebiete der Medizin aus, u.a. auch auf die Multiple Sklerose. Daher möchte ich ein paar erklärende Zeilen zum Thema Zelltherapie schreiben – auch um meinen Lesern die Einordnung von Neuigkeiten zu diesem Thema, die zunehmend im Internet kursieren, zu erleichtern.Bei einer Therapie mit CAR-T-Zellen werden einem Individuum T-Zellen entnommen. Außerhalb des Körpers (ex vivo) werden diese Zellen dann mit genetischen Methoden so verändert, dass sie auf ihrer Oberfläche einen sog. chimären Antigenrezeptoren („chimeric antigen receptor“, CAR) exprimieren – daher der Name CAR-T-Zellen. Dieser gentechnisch hergestellte Antigenrezeptor ist in der Lage (möglichst ausschließlich) ein (Tumor)Antigen zu erkennen. Die so modifizierten T-Zellen werden vermehrt und dem Patienten implantiert. Vor einer solchen Implantation werden Krebspatienten konditioniert, d.h. ihr Immunsystem wird durch eine zusätzliche Chemotherapie so heruntergefahren, dass für die zugeführten CAR-T-Zellen im Organismus des Patienten günstige Bedingungen für ihre Vermehrung bestehen.

Tumor-Antigene im Blick

Erkennen die CAR-T-Zellen nun eine Tumorzelle werden sie zu zytotoxischen T-Zellen, die nach Bindung die Tumorzellen zerstören. Zudem beginnen sich CAR-T-Zellen nach einer solchen Aktivierung zu vermehren, was mit der Zeit dann sogar zu einer Erhöhung der Wirksamkeit führen kann. Zu guter Letzt verbleiben die CAR-T-Zellen länger im Patienten und können bei Wiederauftreten des Tumors erneut aktiv werden. Damit sind CAR-T-Zellen ein einzigartiges „Medikament“ das bereits bei einigen Tumoren, die als therapierefraktär galten, zu erstaunlichen Erfolgen geführt hat. Derzeit überwiegen noch Indikationen im Bereich der Hämatologie – hier wurden bei den sog. B-Zell-Leukämien mit CD19-spezifischen CAR-T-Zellen große therapeutische Erfolge erzielt. Doch längst konzentriert sich die pharmazeutische Industrie auch auf andere Tumor-Antigene.

Von Interesse sind zum Beispiel mit dem Ebstein-Barr-Virus (EBV) assoziierte Krebserkrankungen, da hier gegen EBV gerichtete T-Zell Therapien zum Einsatz kommen können. Tabelecleucel (tab-cel®) ist eine allogene T-Zell-Immuntherapie, die für die Behandlung des Epstein-Barr-Virus-assoziierten lymphoproliferativen Post-Transplantations-Syndroms (EBV+ PTLD) entwickelt wurde und derzeit in einer Phase III Studie getestet wird.

EBV-B-Zellen bei Multipler Sklerose entfernen?

Und jetzt wird es im Hinblick auf die MS spannend: Anfang des Jahres hat eine große epidemiologische Studie ja nochmals eindrücklich den Zusammenhang zwischen MS und EBV verdeutlicht. Von daher ist der Gedanke nachvollziehbar, bei der MS therapeutischen Nutzen zu generieren, indem man EBV-infizierte B-Zellen durch eine Zelltherapie entfernt.
Diesen Ansatz verfolgt der Wirkstoff ATA188, der vom gleichen Unternehmen wie Tabelecleucel (tab-cel®) entwickelt wurde. ATA188 ist eine allogene EBV-spezifische T-Zell Therapie, die selektiv gegen EBV Antigen exprimierende Zellen gerichtet ist, die möglicherweise eine Rolle in der Pathophysiologie der MS spielen. Die Wirkung ATA188 wird derzeit in einer multizentrischen Phase I/II Studie bei Patienten mit progressiver MS (PPMS/SPMS) getestet (EMBOLD, NCT03283826). Vorläufige Ergebnisse der Phase I der Studie wurden bereits auf dem letzten ECTRIMS Kongress kommuniziert und zeigten eine akzeptable Verträglichkeit des Konzeptes. Mit den Ergebnissen der Phase II Studie EMBOLD kann wahrscheinlich 2026 gerechnet werden.

Ich möchte kein Wasser in den Wein schütten – aber dennoch zwei wichtige Bemerkungen zum Schluss. Bitte denken sie daran, dass sich das Konzept erst in den ersten Phasen der klinischen Prüfung befindet. Es ist noch vollkommen unklar, ob es signifikant wirkt und jemals eine Zulassung bekommt. Außerdem sind zellbasierte Therapien nicht ganz ungefährlich – insbesondere die erhöhte Freisetzung von Zytokinen („cytokine release syndrome“, CRS) ist eine wichtige Nebenwirkung. Das CRS wird begleitet von hohem Fieber, Müdigkeit, Übelkeit und Herz-Kreislauf-Störungen, vereinzelt tödliche Verläufe wurden berichtet. Auch Neurotoxizität wurde bei der Anwendung von CAR-T-Zell Therapien berichtet. Das legt nahe, dass man auch ein besonderes Auge auf den Sicherheitsaspekt der Zelltherapien bei MS legen muss, denn eine chronische MS ist keine lebensbedrohliche Tumorerkrankung, bei der man auch schwerwiegendste Nebenwirkungen in Kauf nimmt.

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