Nebenwirkungen von Tecfidera – ein kleiner Exkurs

Tecfidera (Dimethylfumarat) ist seit Januar 2014 zur Behandlung der schubförmigen Multiple Sklerose zugelassen. Viele Patienten haben aufgrund der positiven Studienergebnisse auf das Medikament gewartet, andere freuen sich über die Möglichkeit, ihre Multiple Sklerose mit einer Tablette therapieren zu können. Darüber hinaus gilt das Medikament als relativ nebenwirkungsarm und wird daher von vielen MS-Patienten gerne für die Therapie der Erkrankung gewählt.Auch aus ärztlicher Sicht kann man das bestätigen. Tecfidera ist eine Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten bei MS und viele Patienten kommen mit Tecfidera gut zurecht und zeigen eine gute Stabilisierung der Erkrankung. Trotzdem gibt es natürlich immer wieder Fragen zu den Nebenwirkungen und der Verträglichkeit des Medikamentes (insbesondere seit dem Bericht eines PML-Falles in der Vergangenheit, s. Blog vom 06.03.15 „Erster PML-Fall unter Tecfidera“).

Tecfidera ist insofern eine interessante Substanz als dass es mit dem Wirkstoff Dimethylfumerat einen Wirkstoff enthält, der im Energiehaushalt des Körpers, im sog. Zitronensäurezyklus, eine Rolle spielt. Von daher erfolgt die Verstoffwechslung von Tecfidera über die sog. Atmungskette, d. h. das Medikament wird nicht wie viele andere Medikamente in der Leber verstoffwechselt, sondern wird „abgeatmet“. Daher sind bei der Einnahme von Tecfidera wenig Interaktionen mit anderen Medikamenten zu erwarten.

Auch die Halbwertszeit von Tecfidera ist relativ gering, d. h. ca. 4 Std. nach Einnahme des Medikamentes kann man den Wirkstoff nicht mehr nachweisen. Das ist insoweit von Vorteil, als dass nach Absetzen des Medikamentes der Wirkstoff relativ rasch aus dem Körper entfernt ist, was z. B. in Bezug auf eine geplante Schwangerschaft von Bedeutung sein kann. Auf der anderen Seite erfordert dies, regelmäßig die Tabletten einzunehmen.

Patienten, die Tecfidera einnehmen, klagen in der Regel über zwei wesentliche Nebenwirkungen des Medikamentes. Das sind einerseits gastrointestinale (Magen/Darm) Nebenwirkungen und andererseits die sog. Flush-Symptomatik – ein Hitzegefühl und Rötung von Körper und Gesicht. Diese beiden Nebenwirkungen sind direkt mit der Einnahme des Wirkstoffes verbunden und treten insbesondere in der ersten Wochen der Einnahme auf. Nach den Ergebnissen aus den Zulassungsstudien muss man damit rechnen, dass ca. 30% der Patienten, die Tecfidera erstmals einnehmen, über diese Nebenwirkungen klagen. Auf der anderen Seite zeigen die Studiendaten auch, dass diese Nebenwirkungen bei den meisten Patienten nach den ersten Monaten wieder komplett verschwinden.

Was kann man gegen diese Nebenwirkungen tun? Was die gastrointestinalen Nebenwirkungen betrifft, so hat sich gezeigt, dass es sehr hilfreich ist, wenn Tecfidera nicht auf nüchternen Magen, sondern zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen wird. Die gleichzeitige Einnahme beeinträchtigt die Aufnahme von Tecfidera nicht, verbessert aber deutlich die Verträglichkeit –  d. h. Patienten, die z.B. am Morgen gut frühstücken, sind deutlich im Vorteil. Wahrscheinlich beruhen die gastrointestinalen Nebenwirkungen auf einer lokalen Reizung der Magen- und Darmwand, weswegen eine Verdünnung durch gleichzeitige Einnahme mit Speisen ein sinnvolles Konzept darstellt.

Für den Fall, dass eine gleichzeitige Einnahme von Speisen nicht hilft, kann man kurzfristig die Dosis auf  2 x 120 mg/pro Tag reduzieren. Dies sollte allerdings nicht über eine zu lange Zeit durchgeführt werden, da eine Tagesdosis von 240 mg wahrscheinlich nicht ausreichend wirksam ist. Weiterhin kann man mit klassischen Medikamenten zur Behandlung von Sodbrennen therapieren.

Was die Flush-Symptomatik betrifft, so wird dies von vielen Patienten als deutlich weniger störend empfunden als die gastrointestinalen Nebenwirkungen. Trotzdem kann auch diese Nebenwirkung belastend sein. Auch hier kann eine kurzfristige Dosisreduktion helfen. Eine amerikanische Studie hat zudem gezeigt, dass durch die gleichzeitige Einnahme von Aspirin die Ausprägung der Flush-Symptomatik verringert werden kann. Da Aspirin aber die Funktion der Blutplättchen beeinflusst, ist es sicherlich kein Konzept, das dauerhaft angewendet werden sollte.

Weitere Nebenwirkungen, die erwähnenswert sind, ist eine vermehrte Eiweißausscheidung im Urin, weswegen es sinnvoll ist, regelmäßig eine Urinkontrolle durchführen zu lassen. Ein weiterer wichtiger Punkt, der durch den PML-Fall in die Diskussion gekommen ist, ist die Reduktion der weißen Blutkörperchen durch Tecfidera.

Durch die Einnahme von Tecfidera kommt es im Mittel zu einem leichten Abfall der sog. Lymphozyten, einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen. Bei einigen Patienten (wahrscheinlich muss man von 10 % ausgehen) kommt es zu einem deutlichen Abfall der Lymphozyten. Nach derzeitiger Kenntnis würden wir ein Absetzen der Medikation empfehlen, wenn die Werte für die Lymphozyten wiederholt unterhalb von 500/µl gemessen werden. Daher sollte unter Tecfidera eine regelmäßige Kontrolle des Diffentialblutbildes stattfinden – d.h. in den ersten Wochen sollten eine 2-wöchige Kontrolle des Blutbilds, später monatliche Kontrollen stattfinden.

75 Kommentare

  1. Ich wurde jetzt umgestellt von tecfidera auf Aubagio und komme sehr gut damit zurecht. Es ist eine echte Alternative, die Magenkrämpfe und Durchfälle gehören Nun Der Vergangenheit an.

  2. Habe Tecfidera vor gut einem Jahr abgesetzt, nachdem ich es zwei Jahre genommen hatte. Die beste Entscheidung, seitdem geht es mir blendend.

    Vorher hatte ich fast täglich einen Flush. War jetzt nicht sooo schlimm, aber schon ziemlich nervig. Das Schlimmste war die Müdigkeit, das was in der Regel als fatigue bezeichnet wird. Da dies ja auch zu den Symptomen der MS gehören soll, hatte ich keine Ahnung, dass das von dem Medikament kommt. Habe aber seitdem ich Tecfidera nicht mehr nehme, nicht einmal diese Müdigkeit gehabt, vorher mehrmals pro Woche.
    Es gibt KEIN MS-Medikament, dass in (unabhängigen) Studien erwiesener Maßen die Behinderungsprogression verlangsamt. Die Beeinflussung der Schubrate ist gering, auch Effekte auf MRT-Läsionen sind nicht wahnsinnig groß (außerdem gibt es keinen (nachgewiesenen) kausalen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Läsionen und dem Gesundheitszustand. Spricht eigentlich alles gegen eine Basistherapie…

  3. Ich habe vor ca. 3 Monaten Avonex beendet-war der reinste Horror. Habe es zwar nur ein halbes Jahr gespritzt – nie wieder! Stehe jetzt vor der Entscheidung Tecfidera zu nehmen aber wenn ich mir so die Kommentare durchlese, Schei… ich drauf. Lebe jetzt sehr gut ohne einer Basistherapie!

  4. Bin neu hier.
    Ich habe seit 04/2005 MS schubartig und Spritze Betaferon jeden zweiten Tag.
    Leider ist kein Fettgewebe mehr da, nur lauter Knuppel unter der Haut.
    Hat jemand Erfahrungen gemacht mit der Umstellung von Betaferon auf Tecfidera?
    Danke

  5. Hallo zusammen,

    seit 14 Monaten nehme ich nun Tecfidera und muss sagen, dass ich bisher echt begeistert bin.
    Vor der Einnahme von Tecfidera hatte ich die MS jahrelang vernachlässigt, weil sie bei mir einen sehr gemächlichen Verlauf nimmt. Ich habe glücklicherweise nur beim Ausbruch Ende 2005 einige Symptome gehabt, die aber zu 99% zurückgegangen sind. Seitdem wurden aber bei den Kontrolluntersuchungen immer wieder Entzündungsherde im Gehirn festgestellt, selbst unter Avonex, was ich mir die ersten fünf Jahre gespritzt habe. Unter Avonex kamen aber auch die üblichen grippeähnlichen Symptome nach dem Spritzen dazu, die mit der Zeit zwar nachließen, jedoch nie ganz verschwanden. Irgendwann habe ich dann aber eine regelrechte Angst vor Spritzen, insbesondere vor intramuskulären Spritzen, entwickelt. Dies war auch der Grund, warum ich dann einige Zeit gar keine Therapie gemacht habe, weil die Alternativen zu Spritzen fehlten.
    Ich bin so froh, dass sich bei den Medikamenten in den letzten Jahren einiges getan hat und das man mittlerweile auch erfolgreiche Therapien mit Tabletten machen kann. Vor dem Beginn der Therapie mit Tecfidera und auch 2…3 Monate danach waren die Ergebnisse der MRT-Untersuchungen nicht gut. Es wurden wieder Entzündungsherde festgestellt. Aber nach 6 oder 7 Monaten war die erste MRT-Untersuchung seit langem unauffällig. Mein Arzt sagte auch, dass mindestens ein halbes Jahr vergehen müsse, bis Tecfidera so richtig wirksam wird.
    Hinzu kommt auch, dass ich Tecfidera hervorragend vertrage. Ich hatte einen sog. Flush nach der Einnahme der ersten Tablette, sonst nie wieder. Ich vertrage sie auch mit einer geringen Menge Nahrung ohne Magenbeschwerden.
    Für mich ist es auch ein wesentlicher Zugewinn an Freiheit, denn ich finde zwei Tabletten täglich sind viel entspannter als eine Spritze pro Woche, bei der ich zusätzlich eh noch eine Tablette gegen die Nebenwirkungen nehmen musste. Auch fällt es den Menschen in meiner Umgebung kaum auf, wenn ich morgens oder abends eine Tablette einnehme und das ist für mich wirklich ein Gefühl von Freiheit, trotz ständiger Einnahme.

    Mein Fazit: ich bin mit Tecfidera mehr als zufrieden und kann nur empfehlen, es zu versuchen, wenn man mit seinem bisherigen Medikament aufgrund der Belastung mit Nebenwirkungen nicht zufrieden ist, oder sich der erhoffte Erfolg nicht einstellt.

    In diesem Sinne wünsche ich allen betroffenen eine schöne und möglichst angenehme Zukunft. Haltet die Ohren steif und lasst euch nicht unterkriegen!

    Gruß
    Tobi

  6. Hallo,Ich bin 16 Jahre alt und seit Ende Januar 2016 ein diagnostizierter MS Patient.Nachdem ich seit nun mehr als einem halben Jahr Rebif gespritzt habe ,beschloss mein Neurologe aufgrund meiner erhöhten Leberwerte das Medikament zu wechseln auf tecfidera.

    Ich frage jetzt mal ein paar Leute die sich besser damit auskennen als ich: Sind die Nebenwirkungen auszuhalten? Und was genau sind diese Flushs?
    Wäre nett wenn ich eine Antwort darauf bekommen würde.
    Lg,Antonia

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