Bei Multipler Sklerose helfen Medikamente. Die können aber auch Nebenwirkungen haben.

Nebenwirkungen von MS-Therapien: Glatiramerazetat

Neben den Wirkungen einer Substanz spielen ihre Nebenwirkungen nicht nur bei der Therapieentscheidung, sondern auch bei der praktischen Anwendung einer MS-Therapie eine wichtige Rolle. Deshalb startet der MS-Docblog eine neue Artikelreihe. In der ersten Folge geht es um Glatiramerazetat. Auch in meiner täglichen Praxis dreht sich viel um die Beantwortung von Fragen rund um Nebenwirkungen von MS-Medikamenten. Der Beipackzettel ist dabei wenig hilfreich, denn lt. Gesetzgeber müssen hier alle bekannten Nebenwirkungen aufgezählt werden und in diesem Zusammenhang geht dann häufig die Gewichtung der einzelnen Punkte verloren.

Nebenwirkungen richtig einordnen

NeurologInnen haben durch ihre praktischen Erfahrungen mit den einzelnen Substanzen einen sehr guten Überblick, welche Nebenwirkungen im Patientenalltag Relevanz haben und worüber ein Patient in jedem Fall Bescheid wissen muss, wenn er sich für eine bestimmte Substanz entscheidet. Trotz des immensen „Hintergrundrauschens“ durch die unzähligen Informationen im Internet und den sozialen Netzwerken über MS-Therapien ist daher das ärztliche Gespräch über die Nebenwirkungen einer Substanz nach wie vor die wichtigste Entscheidungshilfe für die MS Betroffenen.

Daher sind wir bei der Planung der DocBlog Beiträge zu dem Schluss gekommen, dass es sinnvoll wäre, eine Artikelserie zu starten, die die Nebenwirkungen und Probleme der einzelnen Wirkstoffe zusammenfasst. Ich werde in diesen Artikeln wiedergeben, was ich meinen Patienten im Aufklärungsgespräch zu einem bestimmten Wirkstoff mit auf den Weg gebe, wenn es um Nebenwirkungen und Verträglichkeit geht. Ich hoffe, dass dies einen interessanten Mehrwert für die Leser von DocBlog darstellt.

Da ich nun schon viele Zeilen für das Vorwort verbraucht habe, wende ich mich in der ersten Folge einem Wirkstoff zu, dessen Nebenwirkungsprofil ziemlich schnell zusammengefasst werden kann – nämlich Glatiramerazetat, das unter den Handelsnamen Copaxone® und Clift® in Deutschland vertrieben wird.

Reaktionen an der Einstichstelle häufig

Glatiramerazetat ist ein Aminosäuregemisch, das subkutan injiziert wird. Für Copaxone existiert mittlerweile eine Zulassung für die Injektion von 40 mg an 3 Tagen/pro Woche – ein echter Vorteil gegenüber der zuvor empfohlenen täglichen Injektion von 20 mg. Denn die Injektion und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten sind sicherlich die häufigste und relevanteste Nebenwirkung von Glatiramerazetat. So klagt die überwiegende Mehrzahl der Patienten über Reaktionen an der Einstichstelle mit Rötung, Schmerzen, Quaddelbildung und Juckreiz, was sich aber durch gute Hautpflege der Injektionsareale und den Wechsel der Injektionsstellen meist gut beherrschen lässt und nach einiger Zeit auch bei den meisten Anwendern kein wirkliches Problem mehr darstellt.

Veränderung des Unterhautfettgewebes seltener

Seltener, aber auch gar nicht mal so selten, entwickeln sich an den Einstichstellen lokale Veränderungen des Unterhautfettgewebes (wahrscheinlich durch Entzündung – Pannikulitis), die zu einer Unregelmäßigkeit der Hautstruktur führen (die sog. Lipoatrophie). Dieses Phänomen ist zwar ungefährlich, kann aber durchaus ein kosmetisches Problem in der Bikinizone oder am Oberschenkel darstellen, worüber aufgeklärt werden sollte.

Systemische Postinjektionsreaktion sehr selten

Sehr selten kann es nach Injektion von Glatiramerazetat (und zwar zu jedem Zeitpunkt der Therapie, also sowohl nach wenigen Tagen Anwendung als auch nach Jahren problemloser Anwendung) zu einer systemischen Reaktion (der sog. systemischen Postinjektionsreaktion – SPIR) kommen. Diese ist eine Kombination aus verschiedenen Symptomen wie Rötung im Gesicht, Brustenge, Schwitzen, Herzklopfen und Angstgefühlen. Die Reaktion ist ungefährlich, sie tritt einige Minuten nach der Injektion auf und klingt meist innerhalb von 30 min folgenlos ab. Tritt eine SPIR auf, sollte man Ruhe bewahren und abwarten – dieses Verhalten setzt aber voraus, dass man vorher über die theoretische Möglichkeit einer SPIR informiert wurde. Patienten, bei denen dies versäumt wurde, werden nicht selten vom hinzugerufenen (Not)Arzt in ein Krankenhaus eingeliefert. Also, sehr selten, aber von praktisch hoher Relevanz.

Ansonsten ist Glatiramerazetat ein gut verträgliches Medikament ohne weitere relevanten Nebenwirkungen. Es hat weder erwähnenswerte Interaktionen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, noch besteht die Gefahr von schwerwiegenden Erkrankungen, wie z.B. Krebserkrankungen. Man kann das auch mit guten Gewissen so kommunizieren, denn Glatiramerazetat ist mittlerweile schon seit Jahrzehnten in der klinischen Anwendung ohne dass neue Sicherheitsbedenken aufkamen. Glatiramerazetat kann aufgrund seines Sicherheitsprofils auch während Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden, was allerdings die meisten Frauen trotzdem vermeiden. Es ist aber ein weiterer Punkt, der die gute Sicherheit des Wirkstoffes unterstreicht.

Monitoring-Maßnahmen überschaubar

Aus diesem Grund sind auch die Monitoring-Anforderungen für Glatiramerazetat sehr überschaubar. Zu Beginn ist ein Routinelabor empfohlen. Im ersten Jahr sind dreimonatliche Laborkontrollen ratsam, danach können die Kontrollen deutlich gestreckt werden. Umstellung von anderen MS Medikamenten oder zu anderen MS Medikamenten sind ohne besondere Vorkehrungen und ohne Auswaschperioden möglich.

5 Kommentare

  1. Ich spritze Copaxone seit einem Jahr und hatte kaum Symptome. Seit vier Monaten haben sich
    immer mehr Schmerzen in den Füßen und Beinen eingestellt, die inzwischen unerträglich sind.
    Kann das von Copaxone kommen?

  2. Ich bin 56 Jahre alt und spritze Copaxone seit gut 2 Jahren und komme relativ gut zurecht. Da ich recht schmerzempfindlich bin, empfinde ich die Schmerzen nach Injektion bis ca. 30 Minuten danach als mittelgradig. Blaue Flecken (Einblutung nach Ader treffen) sind bei mir nur bei Einstichtiefe von mehr als 6 mm entstanden. Jetzt spritze ich nur 5 mm (Hautdicke, ich bin schlank und trainiert) und es kommt nicht mehr vor.
    Die sogenannte Quaddelbildung ist meines erachtens das Medikament, das unter der Haut steht.
    Vielleicht hilft hier einen Millimeter tiefer zu spritzen.
    Gelegentliche Knötchenbildungen verschwinden nach paar Wochen wieder.
    Ich habe mir einen „Spritzplan“ im Kopf gemacht:
    Gerade Woche rechte Körperhälfte
    Ungerade Woche links
    Montags ist der Po dran,
    mittwochs das Bein,
    freitags der Bauch.
    Damit komme ich gut zurecht und muss nicht 2x pro Tag ne Pille schlucken oder mit einem Zettel leben auf dem ich die Injektion vermerke.

  3. Ich nahm Copaxone 2 Jahre lang und habe es selbstständig abgesetzt, da die Nebenwirkung unerträglich für mich waren. ( MS wurde bei mir erst mit 55 Jahren festgestellt, ich hatte nie Schübe ). Ich konnte keine Injektionsstellen werden finden, da jedesmal Knoten entstanden und keine Nadel mehr rein ging. Bauch, Oberschenkel und Hüften schmerzten, große Hämatome die monatelang nicht weggingen. Jetzt bekomme ich Siponimod.

    1. Hallo, ich hatte meinen ersten Schub mit 50 Jahre.
      Medikament Copaxone 40 mg.
      Bis jetzt keinen zweiten Schub.
      Das Medikament vertrage ich gut.
      An den Einstichstellen manchmal Rötungen, für 2-3 Tage einen blauen Fleck oder leichte Verhärtungen, die wieder weg gehen.
      Also alles gut.

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