Bei Multipler Sklerose helfen Medikamente. Die können aber auch Nebenwirkungen haben.

Nebenwirkung von MS-Therapien: Interferon beta Präparate

Die Interferone sind die „Ursubstanzen“ zur Behandlung der Multiplen Sklerose. Mit Interferon-beta 1b (Betaferon®) der Firma Schering (mittlerweile Teil des Bayer Konzerns) wurde 1993 die erste moderne Immuntherapie für die MS zugelassen. Dies war ein Meilenstein für die MS Therapie. Trotz eindeutiger Wirkung auf den Verlauf der Multiplen Sklerose waren die Interferone bei MS Patienten nicht unumstritten. Das hängt in erster Linie mit der häufigen Injektion (bei Betaferon jeden 2. Tag) und den spezifischen Verträglichkeitsproblemen der Interferone zusammen. Darüber hinaus hat es dem Ruf der Interferone geschadet, dass sie in den 90ziger Jahren vor allem spät im Krankheitsverlauf eingesetzt wurden. In dieser Phase können sie keine besonders gute Wirkung mehr zeigen. Erst später haben Frühtherapiestudien mit den unterschiedlichen Interferonpräparaten das gute prophylaktische Potential der Interferone belegt. Dadurch hat sich das Verordnungsverhalten deutlich verändert. Die Interferone wurden eine klassische Erstlinientherapie der milden/moderaten MS und häufig bereits nach dem ersten klinischen Schub eingesetzt.

Interferone beta 1a und 1b

Nach Betaferon® wurde 1997 mit Interferon beta 1a (Avonex®) ein weiteres Interferonpräparat zugelassen. Es war aufgrund seiner einmal wöchentlichen intramuskulären Gabe Patienten-freundlicher anzuwenden. Schließlich folgte 1998 die Zulassung eines weiteren Interferon-beta 1a Präparates zur subkutanen Anwendung (Rebif®). Rebif® ist in zwei unterschiedlichen Dosierungen (22 und 44 µg) verfügbar, die dreimal pro Woche injiziert werden müssen. Die 22 µg Dosierung spielt allerdings aufgrund ihrer schlechteren Wirkung gegenüber der 44 µg Dosis als Dauertherapie eine untergeordnete Rolle. Wenn möglich sollten 3 x 44 µg pro Woche gegeben werden. Die Palette der Interferone wird komplettiert durch Extavia®. Es ist ein Interferon-beta 1b Präparat, das identisch mit Betaferon® ist. Weiterhin kam 2014 mit Plegridy® das erste pegylierte Interferon (PEG-Interferon) auf den Markt. Aufgrund der Pegylierung, die eine verzögerte Freisetzung des Wirkstoffs zur Folge hat, muss es nur alle 2 Wochen injiziert werden. Plegridy wurde 2014 als subkutanes Medikament zugelassen, hat mittlerweile aber auch eine Zulassung für die intramuskuläre Gabe. Da es sich bei Plegridy® um eine Weiterentwicklung handelt, die einige Besonderheiten im Vergleich zu den nicht-pegylierten Interferonen aufweist, werde ich für dieses Medikament noch einen gesonderten Text verfassen.

Die folgenden Ausführungen beziehen sich somit auf die nicht-pegylierten Interferone. Ihnen ist  zunächst einmal gemeinsam, dass sie alle als Injektionstherapie gegeben werden. Daher sind sie für Menschen, die eine Spritzenphobie haben, schwierig anzuwenden. Hier sollte verständlicherweise nach Alternativen gesucht werden.

Nebenwirkungen der Interferone

Alle Interferone haben als wesentliche Nebenwirkung die Reaktionen an der Einstichstelle. Diese sind bei den subkutan verabreichten Präparaten ausgeprägter als bei der intramuskulären Gabe von Avonex® – können aber auch hier vorkommen. Bei subkutaner Applikation (Betaferon®, Extavia®, Rebif®) geht die lokale Reaktion an der Injektionsstelle mit Rötung, Schmerzen und Juckreiz einher. Manchmal kommt es zu einer lokalen Entzündungsreaktion bis hin – in seltenen Fälle – zu Ulzerationen oder gar Nekrosen der Haut. Eine Desinfektion der Einstichstelle sowie eine Kühlung nach Injektion ist hilfreich, um das Auftreten und das Ausmaß der lokalen Injektionsreaktionen zu reduzieren. Darüber hinaus sollten die subkutanen Injektionsstellen von Injektion zu Injektion gewechselt werden, um die Haut zu schonen. Auch das Aufwärmen der Injektion auf Raumtemperatur kann sinnvoll sein, um die Reaktionen an der Einstichstelle zu vermindern.

Eine weitere Hauptnebenwirkung der Interferone sind die grippeähnlichen Nebenwirkungen, die nach Injektion aller Interferonpräparate ungefähr mit einer Latenz von maximal 2 Stunden auftreten können. In den klinischen Studien hatte jeder dritte Studienpatient grippeähnliche Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schüttelfrost oder Fieber berichtet. Diese Beschwerden finden sich zu Beginn der Therapie häufiger und nehmen in der Regel mit Fortsetzung der Injektionen ab. Zu Therapiebeginn kann daher eine langsame Eindosierung des Interferons helfen, die grippeähnlichen Symptome abzumildern. Zur Verbesserung der Verträglichkeit sollte eigentlich jedem Patienten, der mit einem Interferon beginnt, eine prophylaktische und begleitende Behandlung mit Entzündungshemmern (z.B. Ibuprofen 400 mg, Paracetamol 500 mg) empfohlen werden. Darüber hinaus bietet es sich an, die Interferon-Gaben am Abend vorzunehmen, damit man im günstigsten Fall die grippeähnlichen Nebenwirkungen „verschläft“.

Nicht geeignet bei Depression

Der Beipackzettel von Interferonpräparaten listet noch eine ganze Menge von potentiellen Nebenwirkungen auf. Sie spielen bis auf wenige Ausnahmen in der Praxis keine besondere Rolle. Eine Ausnahme ist die Depression. Man weiß, dass Interferone zu einer Verstärkung einer Depression führen können. Daher ist ihre Anwendung bei schwerer Depression und/oder Suizidalität kontraindiziert. Man sollte aber auch an diese Nebenwirkung denken, wenn ein Patient unter der Medikation eine zunehmend gedrückte Stimmung entwickelt. Hier könnte ggf. ein Präparate-Wechsel helfen. Interferon können auch Blutbildveränderungen hervorrufen und zu Leberwerterhöhungen führen – daher ist auch bei diesen Substanzen eine regelmäßige Laborkontrolle angezeigt.

Ansonsten ist es aber von großem Vorteil, dass Interferone nun seit fast 30 Jahren in der MS-Therapie verfügbar sind und in dieser langen Zeit keine wesentlichen Sicherheitssignale aufgetreten sind. Die Interferone besitzen zwar relevante Verträglichkeitsprobleme, aber letztlich keine schwerwiegenden medizinischen Nebenwirkungen.
Das sieht man auch daran, dass die Interferone mittlerweile auch eine Freigabe für die Anwendung während der Schwangerschaft und in der Stillzeit erhalten haben.

2 Kommentare

  1. Ich nehme seit fast 25 Jahren Rebif. Keine großen Probleme aber sehr große Wirkung. Die meisten Probleme entstehen meiner Erfahrung nach durch falsches Spritzen. Hautröungen ,Schmerzen.

    1. Hallo Uwe.

      ich nehme auch Rebif seit 2008 und vertrage es gut. Ich werde 53 und lebe jetzt lange damit und akzeptiere unsere Krankheit. Es hat lange gedauert bei mir es zu akzeptieren mir damit leben zu müssen, aber die positiven Gedanken halten mich immer noch einigermaßen fit. Hoffe dir geht es gut. Viele Grüße. Simone

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