Wenn man sich die Fortschritte bei den „large language models“ wie ChatGPT anschaut, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. In Sekundenschnelle werden Fragen aus allen Lebensbereichen zuverlässig und sprachlich ausgereift beantwortet. Auch wenn die Quellen der Information intransparent sind und die KI auch manchmal halluziniert, so sind die Ergebnisse doch beeindruckend und werden unseren Alltag, unsere Informationsgesellschaft und unsere Art zu lernen nachhaltig verändern. Auch bei medizinischen Fragestellungen ist KI bereits im Einsatz.Und ChatGPT & Co sind auch stark bei medizinischen Fragestellungen. Es ist heutzutage kein Problem mehr, bei medizinischen Beschwerden seine Symptome einzugeben und in Windeseile eine Diagnose zu erhalten. Wenn man das, was heute bereits von jedem Smartphone aus möglich ist, konsequent weiterdenkt, dann werden professionelle Systeme, die an entsprechend großen Datensätzen gelernt haben, in Zukunft wesentlich zuverlässiger und wahrscheinlich auch wirtschaftlicher medizinische Diagnosen stellen und Behandlungsvorgaben machen als jeder (menschliche) Arzt.
Wird unsere Zunft dann noch benötigt? Was ist in Zukunft ärztliche Kunst, wenn man zuhause am PC eine Krebserkrankung diagnostizieren kann oder sich die beste Behandlung für eine chronische Erkrankung zusammenstellen lässt?
KI als Ergänzung bei medizinischen Fragestellungen
Ich teile diese substantiellen Sorgen über die Zukunft unseres Berufes nicht. Natürlich wird sich die Medizin durch „künstliche Intelligenz“ verändern und tut das bereits schon. Bild- und Mustererkennung verbessern die Radiologie oder die Dermatologie, automatische Interaktionschecks verbessern die Medikamentensicherheit, die roboterassistierte Chirurgie oder Neuroprothetik wären ohne den Einsatz von KI nicht möglich. Schon diese Beispiele illustrieren, dass KI dazu beitragen kann, die Medizin der Zukunft besser und zuverlässiger zu machen – was ja zunächst mal ein großer Gewinn ist.
Gerade in der Neurologie, wo wir teilweise mit sehr komplexen und sehr seltenen Krankheitsbildern zu tun haben, fände ich es absolut gewinnbringend, mir von KI-Systemen bei der Diagnosestellung und der sinnvollsten Therapieauswahl helfen zu lassen. Das würde Zeit sparen und unsere Arbeit zielgerichteter machen. Diesbezüglich ist es sogar eher so, dass wir sind in Deutschland ein wenig hinter den Möglichkeiten zurück bleiben.
Was die Patientenautonomie betrifft, die sich durch die „large language models“ weiter vergrößern wird, so habe ich ebenfalls keine Sorgen. Dem Szenario, das viele ärztliche Kollegen nervös macht, nämlich, dass der Patient bereits mit seiner Diagnose in die Praxis kommt und klare Vorstellungen mitbringt, welche Therapie verordnet werden soll, sehe ich eher gelassen entgegen – insbesondere, weil wir diese Situation bereits kennen. Seit der Verfügbarkeit von Suchmaschinen im Internet (die ja auch immer besser werden), werden wir mit Dr. Google und seinen Auswirkungen konfrontiert.
Information der KI benötigt Einordnung durch Fachleute
Aber letztlich hat uns die bisherige Entwicklung doch eher gelehrt, wie wichtig in Zeiten der ungebremsten Informationsgewinnung der reale Arzt-Patienten Kontakt ist. Egal wie gut und zielgenau die KI-Diagnose ist, es wird immer einen Arzt brauchen, der mit seinem Verständnis des menschlichen Körpers, seinem Wissen über pathophysiologische Vorgänge und seiner Erfahrung in der klinischen Medizin diese Informationen in den richtigen Kontext setzt und den Patienten durch seine Krankheit begleitet. Auch wenn computergestützte Systeme erstaunlich empathisch sein können, so glaube ich, dass es in letzter Konsequenz doch den zwischenmenschlichen Kontakt in der Medizin benötigt. Unser Beruf wird sich verändern, er wird ggf. andere Schwerpunktsetzungen bekommen, aber er wird sicher nicht verzichtbar. Und dementsprechend sehe ich persönlich den kommenden technischen Entwicklungen eher neugierig und gespannt als sorgenvoll entgegen.
Vielen Dank für diese Einschätzung. Spätestens nachdem mich eine Bekannte überzeugen wollte, dass sie selbst den Bandscheibenvorfall auf dem Röntgenbild sieht und den bösen Orthopäden als unfähig ansah, zog ich mich aus dem Gespräch sofort zurück. ich wünsche Ihnen viel Durchhaltekraft bei diesen sehr spannenden aber auch sehr anstrengendem Thema.