Intrathekale Cortisontherapie

Cortison wird bei der Multiplen Sklerose zur Behandlung des akuten MS-Schubes eingesetzt. Üblicherweise wird ein hochdosiertes Cortison-Präparat intravenös über einen Zeitraum von 3 bis 5 Tagen verabreicht. Darüber hinaus wird die hochdosierte intravenöse Cortison-Gabe auch häufig bei Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung schubunabhängig in regelmäßigen (häufig 3 monatlichen) Abständen eingesetzt, um spastische Lähmungen zu verbessern und die antriebssteigernde Wirkung von hochdosierten Steroiden auszunutzen. Neben diesen beiden klassischen Therapien wird in ausgewählten Fällen Cortison auch intrathekal verabreicht. Intrathekal bedeutet, dass das Medikament direkt in den Wirbelkanal gespritzt wird. Diese Eingabe ist im Prinzip mit einer diagnostischen Lumbalpunktion (Nervenwasserentnahme) vergleichbar, nur dass der Liquor nicht entnommen wird, sondern nur ein Medikament über die Hohlnadel in den Spinalkanal eingegeben wird.

Man verwendet für diese Eingabe ein Depot-Cortisonpräparat, in der Regel Triamcinolonacetonid (TCA), eine Kristallsuspension, aus der der aktive Wirkstoff Triamcinolon langsam freigesetzt wird. Für die intrathekale Cortison-Therapie existieren unterschiedliche Regime. Eine Arbeitsgruppe aus Bochum hat im Jahr 2003 ein Therapieschema mit 6 TCA-Injektionen alle 3 Tage als Induktionstherapie, die dann alle 6 – 12 Wochen aufgefrischt wird, publiziert. Zwar konnten die Autoren bei Patienten mit progredienter multipler Sklerose und spinalen Symptomen eine Wirkung belegen, jedoch halte ich das Prozedere mit häufig wiederholten Lumbalpunktionen für wenig pragmatisch und sehr belastend. Ich betrachte allerdings die intrathekale Steroidtherapie bei Patienten mit spinalen Symptomen durchaus für eine interessante Option und biete diese in meiner Sprechstunde an.

Ich verzichte aber auf eine Induktionstherapie und gebe stattdessen eine einzelne Injektion, die ich dann alle 3 Monate wiederhole – vorausgesetzt der oder die Patient/in verspürt eine Wirkung der Maßnahme. Die Dosis der Einzelinjektionen variiert je nach Zentrum zwischen 40 und 80 mg Triamcinolon pro Eingabe. Ich persönlich bevorzuge die Gabe von 80 mg pro Einzeleingabe.

Wie schon oben erwähnt, ist die Injektion nicht für jeden Patienten in gleicher Weise geeignet. Ich empfehle die Maßnahme in erster Linie MS-Patienten, die unter einer moderaten bis schweren Paraspastik leiden und deren Mobilität durch die Paraspastik deutlich beeinträchtigt ist. Bei diesen Patienten kann man mit der intrathekalen Cortisongabe gute Erfolge erzielen, wobei viele Patienten nach wiederholten Eingaben berichten, dass der Effekt häufig nur kurz andauernd ist. In solchen Fällen muss man dann abwägen, ob der Aufwand wiederholter Lumbalpunktionen gerechtfertigt ist.

Die intrathekale Cortisongabe wird in der Literatur als risikolos beschrieben. Es werden vor allem die Komplikationen einer Lumbalpunktion berichtet, die aber verhältnismäßig selten auftreten. Es kann sich hierbei in erster Linie um postpunktionelle Kopfschmerzen oder um lokale Schmerzen an der Einstichstelle handeln. Es ist allerdings auch bekannt, dass es bei wiederholten Lumbalpunktionen zur Entstehung von subduralen Flüssigkeitseinlagerungen (sogenannten Hygromen) kommen kann, die in ungünstigen Fällen einen erheblichen Krankheitswert besitzen. Dies ist auch eine Grund warum ich zu häufige intrathekale Eingaben eher kritisch betrachte. Des Weiteren bergen die häufigen Eingaben der steroidhaltigen Kristallsuspension die Gefahr, dass es im Gegensatz zu den kurzfristigen Pulstherapien zu einer relevanten Suppression der Nebennierenfunktion kommen kann. Daher kann man zusammenfassend sagen, dass intrathekale Steroidgaben, wenn sie klug und vernünftig eingesetzt werden, eine sinnvolle Ergänzung der symptomatischen Therapie der Paraspastik darstellen. Zu häufigen und unkritischen Gaben – insbesondere bei nur moderat ausgeprägter Paraspatik – stehe ich allerdings kritisch gegenüber. Grundsätzlich gilt aber für jeden Eingabe, dass die Prozedur nur von erfahrenen Neurologen durchgeführt werden sollte.

3 Kommentare

  1. Mhh, warum wird die Möglichkeit einer Baclofenpumpe nicht erwähnt? Nach vielen Lumbalpunktionen bekam ich jedes Mal postpunktionelle Kopfschmerzen und benötigte mehrfach ein Bloodpatch. Dagegen war die Testung und spätere Implantation der Baclofenpumpe ein Spaziergang. Diese Möglichkeit sollte uns deutlich häufiger angeboten werden und nicht nur als letzte Möglichkeit angesehen werden.

    Leider sitzt man später zwischen den Stühlen, denn die Neurologen beschäftigen sich mit der Spastik, aber haben meist keine Ahnung von der Pumpe und bei den Neurochirurgen ist es umgekehrt. So dass sich niemand um beides kümmert und man als Patient mit MS vieles alleine erledigen muss, aber das kenne viele schon.

    Klar die MS steht oftmals nicht still, aber für mich war die Pumpe ein enormer Gewinn an Lebensqualität und im Nachhinein bin ich sauer, dass man mir von dieser Möglichkeit nicht schon eher erzählt hat. Offensichtlich quälen einige Neurologen ihre Patienten lieber mit den regelmäßigen Lumbalpunktion als den Schritt zur Pumpe zu wagen. Dabei kann man diese sehr individuell einstellen, so bekomme ich abends eine deutlich höhere Dosis und könnte das sogar noch jeden Tag anders einstellen lassen.

    Die Pumpe sitzt seitlich im Bauch, so dass sie weder Rippen noch Becken berührt und stört mich überhaupt nicht. Ich liege damit auch auf dem Bauch und spüre sie nicht. Okay, die Bikinifigur ist ruiniert, weil man sie sehen kann und ich auch eine Narbe dort habe, aber den Preis habe ich gerne gezahlt. Befüllt wird sie problemlos durch die Haut, die Pumpe sitzt recht dicht unter der Haut und so ist das nicht schlimmer als eine Blutabnahme.

    1. Ich mache seit seit 4 Jahren Lumbalpunktion mit Kortison-Gabe, alle 3 Monate 2 Gaben. Meist 40/40 mg Kortison, bin dann 3 Tage stationär.
      Habe bis auf heftige temporäre Steigerung meiner Diabetes nur sehr Gutes zu berichten.
      Quälend war der kleine Einstich nie, eine flotte Mini-OP, wenn vom Profi durchgeführt.
      Wichtig ist auch, dass möglichst immer derselbe Neurologe diese OP durchführt, da die auftretenden (unsichtbar nahe der Wirbelsäule) Vernarbungen bei jedem Menschen verschieden auftreten und wenn der Neurologe seinen Patienten kennt, injiziert er fast immer perfekt.
      Die Spastik wird langfristig unterdrückt, nimmt aber im letzten Monat vor den nächsten 2 „Sitzungen“ wieder zu.
      Leider kam es bei mir zu einer starken Verschlechterung der Diabetes(Kortison ist ein Stresshormon und zwingt die Leber zu einer verstärkten Zuckerausschüttung), welche mich zu einer niedrigeren Dosierung(40/20 mg) des Kortisons bewegte, damit verschlimmerten sich leider auch wieder die Spastik-Symptome.
      Bin gerade auf der Suche nach einem Ersatz…

  2. Hallo

    Mit Interesse hab ich den Beitrag gelesen…da ich bis jetzt immer 3 tage Kortison intravenös bekommen habe…sie aber schlecht vertrage…mich aber immer noch gegen diese vielen „spritzen “ im Rücken gesträubt hab…liest sich die Methode doch „aushaltbar“ ….möchte ich doch meine Spastik in griff bekommen und ein wenig besser laufen können

    Viele grüsse

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Unsere Website verwendet Cookies und sammelt dabei Informationen über Ihren Besuch, um unsere Website zu verbessern (durch Analyse), Ihnen Social Media-Inhalte und relevante Werbung anzuzeigen. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Seite . Sie können zustimmen, indem Sie auf die Schaltfläche "Akzeptieren" klicken.

Cookie-Einstellungen

Unten können Sie auswählen, welche Art von Cookies Sie auf dieser Website zulassen. Klicken Sie auf die Schaltfläche "Cookie-Einstellungen speichern", um Ihre Auswahl zu übernehmen.

FunktionalUnsere Website verwendet funktionale Cookies. Diese Cookies sind erforderlich, damit unsere Website funktioniert.

AnalyticsUnsere Website verwendet analytische Cookies, um die Analyse und Optimierung unserer Website für a.o. die Benutzerfreundlichkeit.

Social Media, YouTube, VimeoUnsere Website platziert Social Media-Cookies, um Ihnen Inhalte von Drittanbietern wie YouTube und FaceBook anzuzeigen. Diese Cookies können Ihre persönlichen Daten verfolgen.

WerbungUnsere Website platziert Werbe-Cookies, um Ihnen Werbung von Drittanbietern zu zeigen, die Ihren Interessen entspricht. Diese Cookies können Ihre persönlichen Daten verfolgen.

AndereAuf unserer Website werden Cookies von Drittanbietern von anderen Diensten von Drittanbietern platziert, bei denen es sich nicht um Analysen, soziale Medien oder Werbung handelt.