Immunglobulinspiegel und B-Zell-Depletion (1)

B-Zell depletierende Therapien wie Ocrelizumab (Ocrevus), Ofatumumab (Kesimpta) oder das gerade neu für die Behandlung der NMOSD zugelassene Inebilizumab (Uplizna) sind derzeit sehr wichtige Instrument zur Kontrolle aktiver MS Verläufe und zur Schubprophylaxe bei NMOSD. Der Vorteil dieser Wirkstoffe ist neben der guten Verträglichkeit die hohe Wirksamkeit. Man kann angesichts aktueller Daten davon ausgehen, dass die Wirksamkeit mit der von Natalizumab (Tysabri), ein monoklonaler Antikörper, das Anfang der 2000er Jahre vielen Patienten mit aktiver MS geholfen hat, vergleichbar ist. Leider kam es unter Natalizumab aber zu einem gehäuften Auftreten von Fällen einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML), einer gefährlichen opportunistischen Virusinfektion des Gehirns, die den Einsatz von Natalizumab in den letzten Jahren beschränkt hat.

Für und Wider B-Zell-depletierende Therapien

Die entstandene Lücke wurde durch die B-Zell-depletierenden Therapien gefüllt, zunächst von Rituximab (off-lable) und dann seit 2018 zunehmend durch die zugelassenen MS-Therapien Ocrevus und Kesimpta, die neben ihrer überlegenen Wirkung gegenüber etablierten Vergleichsubstanzen in ihren Zulassungsstudien ein sehr vorteilhaftes Nebenwirkungsprofil zeigten und vor allem kein Problem mit PML-Fällen zeigten. Daher sind die B-Zell-depletierenden Therapien derzeit ein wichtiger Bestandteil der aktuellen MS Therapiekonzepte, weil sie a) sehr wirksam und b) sehr gut verträglich sind.

Trotz der positiven Studiendaten machen sich jedoch MS-Experten weltweit Gedanken über die längerfristige Anwendung dieser B-Zell-depletierenden Therapien. In den Zulassungstudien wurde beobachtet, dass bei einem Teil der behandelten Patienten die Immunglobulinspiegel im Blut abfallen. Bei diesen Fällen besteht die Sorgen, dass sich ein sog. sekundäres Immundefizienzsyndrom entwickelt. (Kurz zur Erklärung: Immunglobuline (Antikörper) sind ein wichtiger (löslicher) Bestandteil unseres Immunsystems. Immunglobuline haben die Aufgabe, in den Körper eingedrungene Viren, Bakterien oder deren Giftstoffe abzufangen. Der im menschlichen Blut vorherrschende Antikörpertyp ist das Immunglobulin G – IgG).

Fakten der Studien

Hier kurz die Fakten aus den Studien: In den Ocrelizumab Studien zeigte sich bei Patienten mit kontinuierlicher Ocrelizumab-Behandlung ein Abfall der IgG-Spiegel um durchschnittlich 0,33 g/l bzw. 3,0 % pro Jahr. Nach 7 Jahren Beobachtungszeit hatten 7,7% der Patienten einen IgG-Spiegel unterhalb der unteren Normgrenze (im Opera-Studienprogramm 5,65 g/l). In den Ofatumumab-Zulassungsstundien blieb der IgG-Spiegel unter überwiegend kontinuierlicher Behandlung mit Ofatumumab im Mittel stabil (+1,1%). Es ist jedoch anzumerken, dass aufgrund unterschiedlicher Ausschluss-, Abbruch- und Wiederbeginn-Kriterien die Immunglobulindaten beider Studienprogramme nur eingeschränkt miteinander vergleichbar sind. Trotz dieser „beruhigenderen“ Studiendaten von Ofatumumab sollte man daher angesichts des ähnlichen Wirkprinzips beider Substanzen auch bei einer Behandlung mit Ofatumumab die IgG-Spiegel im Auge behalten.

Nun muss man allerdings klar differenzieren: ein erniedrigter Laborwert für IgG ist nicht gleichzusetzen mit einem Immundefekt. Zumal innerhalb der Studien Infekte sogar häufiger bei Personen mit normwertigen Immunglobulinspiegeln aufgetreten sind. Auf der anderen Seite ist es aber wichtig, diesen Aspekt der B-Zell-depletierenden Therapien im Auge zu behalten. Insbesondere mit der Kenntnis, dass eine B-Zell-depletierende Therapie per se als Risikofaktor für Infektionen identifiziert wurden (Infection Risks Among Patients With Multiple Sclerosis Treated With Fingolimod, Natalizumab, Rituximab, and Injectable Therapies) und eine B-Zell depletierende Therapie (auch als anti-CD20 Therapie bezeichnet) während der Pandemie ein statistisch relevanter Risikofaktor für schwere COVID19 Verläufe war (Anti-CD20 and Other Risk Factors Associated With COVID-19 Severity).

Aus diesem Grund sollte neben der regelmäßigen Bestimmung der Immunglobuline vor und während der Therapie vor allem ein sorgfältiges Infektionsscreening vor, während und ggf. nach der Behandlung mit B-Zell-depletierenden Therapien erfolgen. Das Infektionsscreening auf bakterielle Infektionen (zB. rezidivierende Nebenhöhlenentzündungen, Bronchitis, Lungenentzündung) ist im Hinblick auf die Fortsetzung der Therapie oder die Einleitung von Substitutionsmaßnahmen wichtiger und wesentlicher als die reine Betrachtung von Labor-Grenzwerten.

Wie man nun mit diesem Problem umgehen sollte, werde ich im 2. Teil dieses Artikels beleuchten.

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