Es gibt wenige Dinge, die Menschen tatsächlich tun müssen – Essen und Trinken gehören auf jeden Fall dazu. Die Ernährung mit der ausreichenden Menge an Energie, Vitaminen und Mineralstoffen ist notwendig zur Erhaltung unserer Lebensfunktion. Hier sind wir aktuell in einer komfortablen Situation: Keine Generation vor uns hatte den Zugriff auf eine so große und sichere Auswahl an Lebensmitteln, die es fast jedem Bundesbürger erlaubt, sich gesund, ausgewogen und vor allem ausreichend zu ernähren. Doch gerade weil Essen eine so vitale Bedeutung hat, ist es naheliegend, dass der Ernährung als Grundlage für Gesundheit und Wohlbefinden – und damit auch im Umkehrschluss für Krankheit und Tod eine große Bedeutung eingeräumt wird. Und so erreicht die Diskussion um eine richtige bzw. gesunde Ernährung, insbesondere im Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen, nicht selten eine ideologische Dimension. Trotz der omnipräsenten Verfügbarkeit von Essen und des unermesslich großen Angebotes von hygienisch einwandfreien und nährstoffreichen Lebensmitteln wird die „falsche“ Ernährung als wesentliche Ursache von chronischen Erkrankungen gesehen – die Angst reicht von nicht erkannten Mangelzuständen über die Verarbeitung minderwertiger Zutaten durch die Lebensmittelindustrie bis hin zur Angst vor Belastung mit Toxinen und Schadstoffen. Dies resultiert häufig in der Orientierung an bestimmten Diäten und Verhaltensregeln, die aber nicht selten ihrerseits die Gefahr von Mangelzuständen und einseitiger Ernährung bergen – und die Lebensqualität der Betroffenen herabsetzen.
Auf der anderen Seite ist es wissenschaftlich erwiesen, dass Nahrungsbestandteile wie Salz, Zucker und Fett, vor allem, wenn sie unausgewogen zugeführt werden, Körperfunktionen beeinflussen können und zu Erkrankungen führen. Auch die Beeinflussung des Mikrobioms im Darm durch Ernährungsgewohnheiten hat das Interesse der modernen Forschung geweckt, vor allem im Zusammenhang mit der Entstehung von Autoimmunerkrankungen.
Die Thematik Ernährung und MS eröffnet damit neue Perspektiven auf mögliche ursächliche Faktoren der MS. Daher werde ich in den nächsten Ausgaben von DocBlog auf unterschiedliche Aspekte zur Ernährung eingehen. Sie werden sehen, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse bisher alles andere als eindeutig sind. Wahrscheinlich spielt auch nicht ein einzelner Ernährungsbestandteil die herausragende Rolle, sondern viel eher das Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren. Es ist vor diesem Hintergrund und auf der Grundlage der bisherigen Erkenntnisse somit nicht sinnvoll, bestimmte Diäten zu propagieren. Hierfür existiert keine ausreichende wissenschaftliche Grundlage. Da aber die Ernährung von so herausragender Bedeutung für den Menschen ist, erscheint es verständlich, dass viele chronisch Erkrankte Erklärungen suchen, die im Zusammenhang mit den Ernährungsgewohnheiten stehen. Es muss aber bezweifelt werden, ob es jemals eine solche „einfache Erklärung“ gibt. Dennoch sind die derzeitigen Erkenntnisse zur Ernährung, dem Mikrobiom und der möglichen Rolle für Ätiologie und Pathogenese der MS in hohem Maße inspirierend und wichtig.
Dies war Teil 1/4. Die weiteren Beiträge rund um Ernährung und Multiple Sklerose (MS) gibt es hier: