Eine häufige Frage: schubförmig oder chronisch-progredient?

Sehr häufig wird mir in der Sprechstunde die Frage gestellt: „Habe ich nun einen schubförmigen oder einen chronisch-progredienten Verlauf.“ Und in der Regel stellen diese Frage eher jüngere und erst vor kurzem mit MS diagnostizierte Patienten. Hier schwingt wahrscheinlich auch immer ein wenig Angst mit, denn in vielen Texten und Abhandlungen zur MS wird der chronisch-progrediente Verlauf in einem Atemzug mit einer schlechten Prognose und einer schlechteren Therapiefähigkeit genannt. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass weit über 80 % aller MS-Erkrankungen als typische schubförmige Verlaufsform beginnen. Wenn die MS nicht adäquat behandelt wird, also zu Beginn Schübe und MRT Aktivität toleriert werden, muss man damit rechnen, das nach 10 – 15 Jahren ca. zwei Drittel der schubförmigen Verläufe in eine sog. sekundär chronisch- progrediente Verlaufsform übergehen. Wir sprechen daher von „sekundär“ weil die Erkrankung „primär“ schubförmig angefangen hat.

Es gibt auch die sog. primär chronisch-progrediente MS, die aber selten ist und nur ca. 10 % aller MS-Patienten betrifft. Die primär chronisch-progrediente MS zeichnet sich dadurch aus, dass sie i.d.R. erst um das 40. Lebensjahr beginnt, Männer und Frauen gleichermaßen häufig betrifft (die klassische MS betrifft Frauen wesentlich häufiger) und durch einen schwerpunktmäßigen Befall des Rückenmarks meistens zu einer langsam progredienten Gangstörung führt. Bis heute ist nicht ganz klar, ob die primär chronisch-progrediente MS vielleicht sogar eine andere Erkrankung darstellt, denn sie ist im Gegensatz zur typischen schubförmigen MS Immuntherapien nicht besonders gut zugänglich.

Die sekundär chronisch-progrediente MS ist die ein häufiges Problem lang erkrankter MS-Patienten, da sie ja – wie oben gesagt – die Konsequenz einer langjährigen schubförmigen MS darstellt. Unsere Vorstellung zur Entstehung des sekundär chronisch-progredienten Verlaufes ist dahingehend, dass bereits früh im Krankheitsverlauf – bei unzureichender Kontrolle der entzündlichen Aktivität – ein langsam voranschreitender neurodegenerativer Prozess (Abbauprozess) in Gang gesetzt wird, der dann in späteren Phasen der Erkrankung (wenn Schübe in den Hintergrund treten) den Erkrankungsverlauf dominiert. Daher sehen wir im Moment in einer konsequenten entzündungshemmenden Therapie zu Beginn der Erkrankung die vielversprechendste Möglichkeit, den Übergang in eine sekundär chronisch-progrediente Verlaufsform zu verhindern. Kommt die Therapie zu spät, bzw. ist die Therapie nicht ausreichend stark, um die Entzündungsaktivität früh zu unterbinden, nimmt die kontinuierliche Gewebezerstörung ihren Lauf und mündet schließlich in einer progressiven Zunahme neurologischer Defizite, die dann auch therapeutisch nicht mehr so gut zugänglich sind.

Woran merkt man nun, dass die MS in eine sekundär chronisch-progrediente Verlaufsform übergegangen ist? Nun – man muss erst einmal verstehen, dass wir nicht über einen definierten Zeitpunkt sprechen, der Übergang in eine sekundär chronisch-progrediente Verlaufsform beschreibt eher einen Zeitraum, der sich durchaus über mehrere Jahre hinziehen kann. In diesem Zeitraum bemerkt der Patient, dass sich die Mobilität, aber auch andere wichtige Funktionen wie Kognition oder Blasenfunktion, kontinuierlich verschlechtern – dieser Befund schreitet über viele Jahre dann langsam voran. Hier lohnt es sich mit symptomatischen Therapiemaßnahmen, vor allen Dingen nicht medikamentösen Maßnahmen wie Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, gegen diesen langsamen Abbau zu arbeiten. Durch intensive Reha-Bemühungen können oft erstaunliche Erfolge erzielt werden. Nur wenn die Verschlechterung wirklich sehr rasch progredient voranschreitet, sollte mit dem Neurologen über die Intensivierung der medikamentösen Immuntherapie nachgedacht werden. Wir hoffen natürlich auch, dass demnächst neue Therapieansätze zur Verfügung stehen, die neuroprotektive Aspekte besitzten – aber bisher warten wir hier noch auf einen Durchbruch. Auch vor diesem Hintergrund der eingeschränkten Möglichkeiten der Therapie einer in eine sekundär chronische Verlaufsform übergegangenen MS ist vielleicht verständlich, warum viele MS Experten immer wieder betonen, wie wichtig eine frühe und konsequente MS Therapie ist. Sie ist eine wesentliche Strategie, eine spätere chronische Progredienz der MS zu verhindern.

34 Kommentare

  1. Als ich vor 26 Jahren an MS erkrankte, gab es noch keine Therapien. Damals wurde mir von den Ärtzten gesagt, es könnte MS ein oder auch nicht. Im MRT war ein heller vernarbter Herd und das Nervenwasser war entzündet. Für mich persönlich war diese Aussage ok, ich lebte weiterhin bis 2004 ohne Einschränkungen und Gedanken an die Erkrankung. Im Laufe der Zeit büsste ich immer mehr meine Gehfähigkeit ein. Noch gehe ich kurze Wege ohne Rollator und hoffe, dass es endlich irgendwann ein Stillstand kommt. Medikamente nehme ich nicht.

  2. ich war 6jahre im rollstuhl und seit 4jahren geh ich mit dem rollator und das ich wieder laufe hab ich meiner familie zu verdanken weil die mich nie aufgegeben hat
    ich hab auch wieder freude am zeichnen entdekt und ich finde auch das jeder machen kann was er sogar mit der zeit nich mehr gemacht hat und genau jetzt der zeitpunkt is es wieder zu tun

  3. Ich habe Ms seit 17 jahren und ich hab seit kurzen mit spastiken zu kämpfen lebe aber eigentlich sehr gut mit der krankheit im allgemeinen und ich bin dankbar für die info die ich hier bekomme danke dr.mäurer

  4. Ich habe MS seit nunmehr annähernd 30 Jahren. Bin noch gehfähig, jedoch nur für kurze Strecken, nehme immer meine Stöcke mit, damit geht es sich leichter, habe ein Dreirad, habe 3 erwachsene Kinder, meine kognitiven Fähigkeiten lassen zu wünschen.
    Mein Leben ist nicht so, wie ich es mir geträumt habe, vor allem bin ich nicht mehr so fröhlich wie früher.
    Jetzt bin ich fast 60 (58) und ich lebe mein Leben sehr ruhig. Mir ein bisschen zu ruhig, wenn ich an früher denke. Vor allem mein Gedächnis ist eine Katastrophe.
    Ich habemir jetzt eine Beschäftigung gesucht und gefunden die mir sehr großen Spaß macht:
    vorlesen in Grundschulklassen. Jeder sollte die Möglichkeit haben, sich seinen Fähigkeiten
    Nehme nach wie vor Copaxone,
    entsprechend zu verwirklichen, und klettern und Sport habe ich für mich entdeckt.

  5. Ich habe MS seit nunmehr annähernd 30 Jahren. Bin noch gehfähig, jedoch nur für kurze Strecken, nehme immer meine Stöcke mit, damit geht es sich leichter, habe ein Dreirad, habe 3 erwachsene Kinder, meine kognitiven Fähigkeiten lassen zu wünschen.
    Mein Leben ist nicht so, wie ich es mir geträumt habe, vor allem bin ich nicht mehr so fröhlich wie früher.
    Jetzt bin ich fast 60 (58) und ich lebe mein Leben sehr ruhig. Mir ein bisschen zu ruhig, wenn ich an früher denke. Vor allem mein Gedächnis ist eine Katastrophe.
    Ich habemir jetzt eine Beschäftigung gesucht und gefunden die mir sehr großen Spaß macht:
    vorlesen in Grundschulklassen. Jeder sollte die Möglichkeit haben, sich seinen Fähigkeiten
    entsprechend zu verwirklichen, und klettern und Sport habe ich für mich entdeckt.

  6. Hallo,
    habe seit ca 30 Jahren MS.
    Zuerst schubförmig, jetzt sekundär progredienter Verlauf.
    Habe auch 10 Jahre(bis 2004) Copaxone tgl. gepritzt.
    Hatte auch trotz Copaxone leichte Schübe.
    Nun wird seit 3 Jahren u.a. mein Laufen zusehends schlechter(vom Stock zum Rollator), was mir echt Angst macht.
    Aktuell werde ich in eine Reha gehen, meine Ernährung umstellen, NEMs nehmen und auf eine lebenswerte Zukunft hoffen. – Fällt mir aber ziemlich schwer dieses „Jetzt“ zu akzeptieren.
    Mir stellt sich die Frage, wäre eine intensivere Basistherapie hilfreiche rgewesen?
    Ist sicherlich müssig sich diese Frage überhaupt zu stellen.

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