Die Neuromyelitis optica (NMO)

„Könnte es nicht eine NMO sein, vielleicht habe ich gar keine MS“, fragte mich energisch die junge Patientin beim Gespräch über ihre Krankheitsgeschichte. Diese Frage bekomme ich seit einiger Zeit häufiger gestellt – und das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass die Existenz dieser Erkrankung mittlerweile bei den Patienten angekommen ist.

Die Erkenntnis, dass es sich bei dem als Neuromyelitis optica (NMO, manchmal auch als Devic-Syndrom) bezeichneten Syndrom nicht um eine Variante der Multiplen Sklerose handelt, sondern um eine eigenständige Erkrankung, ist in der wissenschaftlichen Welt seit über 10 Jahren bekannt. Im Jahr 2004 hatte Vanda Lennon, Wissenschaftlerin an der renommierten Mayo Clinic einen Autoantikörper als Serummarker beschrieben, der die NMO von der MS unterscheidet.

Später konnte sie nachweisen, dass sich dieser Antikörper gegen den Wasserkanal Aquaporin-4 richtet. Seither bestimmen wir bei Fällen, die einen vorwiegenden Befall des Rückenmarks (Myelitis) und des Sehnerven (Opticusneuritis) aufweisen, diesen sog. Anti-Aquaporin-4 Antikörper, um mit dessen Hilfe Patienten mit Neuromyelitis optica zu identifizieren. Musste ich in den vergangenen Jahren noch intensiv nachfragen, ob dieser Laborwert bestimmt wurde, so werde ich mittlerweile von Patienten mit dieser Frage konfrontiert – das ist, wie gesagt, ein gutes Zeichen.

Die NMO ist eine seltene entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, die fast ausschließlich die Sehnerven und das Rückenmark betrifft. Die NMO verläuft grundsätzlich schubförmig mit Phasen längerer Stabilität zwischen den einzelnen Schüben, wobei die Schübe häufig sehr schwer sein können. Die Entzündung des Sehnerven kann zu schweren Beeinträchtigung bis zur Erblindung führen, die Entzündung des Rückenmarks ist sehr ausgedehnt und erfasst drei oder mehr Segmente – man spricht dann auch von einer langstreckigen transversen Myelitis (longitudinal extensive transverse myelitis, LETM). Das Ansprechen eines Schubes auf hochdosiertes Kortison ist nicht immer suffizient, manchmal führt erst eine Blutwäsche zum Erfolg.

Trotz der Ähnlichkeit mit den klinischen Symptomen einer spinal betonten MS können die beiden Erkrankungen durch den Nachweis spezifischer Antikörper gegen Aquaporin-4 unterschieden werden – bei der MS kommen diese Antikörper nämlich so gut wie nie vor. Problematisch bleibt die Unterscheidung in dem einen Drittel der NMO-Fälle, die diese Antikörper nicht aufweisen. Hier kann das MRT weiterhelfen, denn typischerweise haben NMO-Patienten keine klassischen MS-Läsionen im Gehirn. Häufig sind die Aufnahmen des Gehirns – trotz schwerer klinischer Symptomatik – gänzlich unauffällig. Im Rückenmark finden sich hingegen die typischen langstreckigen Läsionen mit deutlicher Auftreibung des Rückenmark. Auch das Nervenwasser kann bei der Unterscheidung helfen – NMO Patienten haben meist eine deutlichere Zellzahlerhöhung als MS Patienten und weisen viel seltener oligoklonale Banden auf, die bei MS-Patienten in ca. 90 – 95% der Fälle nachweisbar sind.

Die diagnostische Unterscheidung zwischen der NMO und der MS ist von großer Bedeutung, da sich auch die Therapie der beiden Erkrankungen unterscheidet. So können z.B. Interferone zu einer Verschlechterung einer NMO führen, auch die Gabe von Natalizumab (Tysabri® ) war bei NMO eher weniger erfolgreich. Stattdessen haben B-Zell depletierende Therapien eine gute Wirkung bei der NMO – so scheint derzeit Rituximab eines der wirksamsten Mittel zur Behandlung einer NMO zu sein, auch wenn es offiziell keine Zulassung zur Behandlung der NMO besitzt. Es besteht aber Konsens darüber, dass v.a. bei Nachweis von anti-Aquaporin-4 Antikörpern ein konsequenter Einsatz dieses Medikamentes erfolgen sollte.

Fazit ist, dass man unbedingt immer an die NMO denken sollte. Ich plädiere daher dafür, dass die Bestimmung der Anti-Aquaporin-4 Antikörper grundsätzlich zur diagnostischen Abklärung bei MS Erstdiagnose mit dazu gehört.

Ein Kommentar

  1. Was halten Sie von der Therapie mit Antibiotika (Minocyclin(Doxycyclin) nach einem CIS. Andere Basismedikamente werden nicht vertragen oder aus Angst vor den Nebenwirkungen nicht genommen. Das Breitbandantibiotika sollte angeblich zu fast 50 % verhindern eine MS zu bekommen. Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort.

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