Die Milch machts!? – Neue Studie zum Einfluss von Milchproteinen bei MS (2)

Kann der (übermäßige) Konsum von Milch sich negativ auf Autoimmunerkrankungen wie die Multiple Sklerose auswirken? In Internetforen äußern sich nicht selten Betroffene, die von Problemen nach dem Verzehr von Milchprodukten sprechen, manchmal sogar von einer Verschlechterung ihrer Symptome. Demgegenüber ist das Bild von Milch in der Werbung nach wie vor positiv geprägt. Tatsächlich wird schon seit den späten 1970er ein Zusammenhang zwischen Milch und MS in Erwägung gezogen. In den neunziger Jahren wurde eine Korrelation von Milchkonsum und MS nachgewiesen, was besonders für den Konsum von reiner Kuhmilch gilt. Vor diesem Hintergrund ist die neue Arbeit aus der Arbeitsgruppe von Stefanie Kürten (Chunder R et al. Antibody cross-reactivity between casein and myelin-associated glycoprotein results in central nervous system demyelination. Proc Natl Acad Sci U S A. 2022 Mar 8;119(10):e2117034119. doi: 10.1073/pnas.2117034119. Epub 2022 Mar 2) zu sehen.

Was wurde gemacht?

Die Forschenden haben Mäusen unterschiedliche Milchproteine injiziert. Mäuse, denen Casein injiziert wurde, zeigten eine Reihe von (milden) neurologischen Symptomen. Nach der Injektion anderer Milchproteine waren diese nicht zu beobachten. Die Nerven dieser mit Casein immunisierten Mäuse zeigten unter dem Elektronenmikroskop deutliche Veränderungen der Myelinscheide. Also der Umhüllungsstruktur von Nervenzellen, die auch bei der MS das primäre Ziel von Immunzellen ist. Interessanterweise konnten die Forschenden aber keine Immunzellen in den veränderten Nerven nachweisen. Das legte den Verdacht nahe, dass Antikörper (die gegen das Milchprotein Casein gebildet wurden) für die Schäden an der Myelinscheide verantwortlich sind.

Dieser Befund bedeutete, dass es durch die Injektion von Casein zu einer fehlgeleiteten Immunreaktion gekommen ist. Denn die Antikörper, die ja eigentlich das (Fremdeiweiß) Casein abwehren sollten, haben zu einem Schaden an der Myelinscheide geführt. Daher haben die Forschenden im nächsten Schritt untersucht, ob eine Kreuzreaktivität zwischen Casein und Eiweißmolekülen der Myelinscheide vorliegt. Zu einer solchen Kreuzreaktivität kann es kommen, wenn zwei Eiweißmoleküle strukturell sehr ähnlich sind. Dann besteht die Gefahr, dass das Immunsystem die beiden Eiweiße verwechselt.

Ähnlichkeit zwischen Casein und MAG

Tatsächlich konnte gezeigt werden, dass Casein große Ähnlichkeit mit dem sog. Myelin-assoziierten Glykoprotein (MAG) besitzt. Das Serum von mit Casein immunisierten Mäusen war in der Lage, MAG auf Hirn- und Rückenmarksschnitten zu erkennen. Daher besteht der begründete Verdacht, dass sich in den Casein-behandelten Mäusen die körpereigene Abwehr auch gegen MAG richtet, wodurch das Myelin der Tiere destabilisiert wird.

Um die Frage zu klären, inwieweit diese Ergebnisse aus dem Tiermodell auf den Menschen übertragen werden können, haben die Forschenden die aus dem Mausmodell gewonnenen Ergebnisse durch klinische Daten ergänzt. Hier zeigte sich, dass Serumproben von Patienten mit MS eine signifikant höhere B-Zell- und Antikörperreaktivität gegenüber Casein aufwiesen als die von Patienten mit anderen neurologischen Erkrankungen.

Wie sind Beobachtungen und Studienergebnisse zu interpretieren?

Wie könnte man die Beobachtungen von MS-Betroffenen, dass Milchgenuss eine Symptomverschlechterung hervorruft und die Ergebnisse der Bonner Arbeitsgruppe nun zusammenbringen und interpretieren? Es wäre denkbar, dass die Betroffenen durch den Konsum von Milch eine „Allergie“ gegen Casein entwickelt haben. Wenn sie Frischmilchprodukte zu sich nehmen, kommt es zur Bildung von Casein-Antikörpern, die. aufgrund der Kreuzreaktivität mit MAG die Myelinschicht um die Nervenfasern schädigen.

Daher entwickelt die Bonner Arbeitsgruppe momentan einen Selbsttest, mit dem Betroffene überprüfen können, ob sie entsprechende Antikörper in sich tragen. Angesichts der aktuellen Erkenntnisse sollte diese Gruppe von MS-Betroffenen besser auf den Konsum von Milch verzichten. Weiterhin ist es von Interesse, ob Kuhmilch auch bei Gesunden das Risiko, an MS zu erkranken erhöht. Denn auch bei Gesunden kann eine immunologische Reaktion auf Casein hervorgerufen werden und dann theoretisch auch eine Kreuzreaktivität gegen MAG entstehen. Es sind aber darüber hinaus noch weitere Faktoren erforderlich, um dann eine Autoimmunerkrankung wie die MS auszulösen.

Die Ergebnisse zu Milch und Autoimmunität sind interessant und sollten dazu führen, dass wir unseren Milchkonsum im Erwachsenenalter überdenken – auch wegen des Klimas.

3 Kommentare

  1. Ich hab so meine Zweifel.
    Man hat den Mäusen Casein mit Wirkverstärker gespritzt, warum?
    Man weis von Impfungen, bei denen Wirkverstärker eingesetzt werden, dass hier ebenfalls Probleme auftreten können.
    Wenn man überlegt wieviel Generationen mit Kuhmilch groß geworden sind, verstehe ich nicht, wieso jetzt in den letzten 20-30 Jahren in denen die MS Weltweit auf dem Vormarsch ist, plötzlich die Kuhmilch daran schuld sein soll.
    Dass Kuhmilch (Lactose und Casein) Allergien bzw. Unverträglichkeit verursachen kann ist klar. Ich habe in meinem Bekanntenkreis Menschen die auf den „Modetrennt“, Lactose sei Ungesund und gefährlich, in dem sie ganz darauf verzichtet haben. Wenn sie dann, nach einiger Zeit Milch oder Frischkäse (in gereiften Käse ist keine Lactose) zu sich genommen hatten, war die Wirkung natürlich entsprechend.

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