Der Biomarker Serum Neurofilament Leichtketten – einige Erklärungen und Stellungnahme zur neuen Studie aus Basel

Derzeit wird sowohl in der medizinischen Fachpresse als auch in der Laienpresse die Bedeutung des sog. Serum Neurofilament Leichtketten Wertes (Abkürzung: sNfL) diskutiert. Das hängt vor allem mit einer neuen Studie zusammen, die kürzlich unter der Federführung der Kollegen aus Basel in Lancet Neurology publiziert wurde.Man muss dazu wissen, dass man in der MS-Forschung immer auf der Suche nach geeigneten Biomarkern ist. Also Messwerten, die in der Lage sind, die Krankheitsschwere bzw. den Krankheitsverlauf eines MS-Patienten vorherzusagen und das Ansprechen auf die gewählte MS-Therapie zu bewerten. Besonders attraktiv ist ein solcher Messwert, wenn man ihn ohne großen Aufwand aus dem Blut bestimmen kann. Ähnlich wie z.B. den Langzeitblutzuckerwert (Fachbegriff HbA1c) zur Bewertung der Blutzuckereinstellung beim Diabetes.

Laborwert Neurofilament Leichtketten

Bei der MS hat sich in den letzten Jahren die Bestimmung der sog. Neurofilament Leichtketten als vielversprechender Laborwert herausgestellt. Neurofilamente sind Bestandteile von Nervenzellen. Werden Nervenzellen z.B. durch die MS beschädigt, werden Neurofilamente in das umliegende Gewebe freigesetzt und sind dadurch ein Maß für den Nervenzellschaden. Insbesondere der Messwert für die Neurofilament Leichtketten (NfL) hat sich als geeigneter Laborwert für das Ausmaß der Schädigung des zentralen Nervensystems erwiesen. Anfänglich konnte man Neurofilamente aber nur zuverlässig im Nervenwasser von MS-Patienten nachweisen. Eine Nervenwasserentnahme ist aber ein wenig praktikabler Weg, um Informationen über die Erkrankung zu erhalten. Denn Nervenwasserpunktionen sind unangenehm für Patienten und aufwendig in der Durchführung.

Daher war es ein Durchbruch, als es vor einigen Jahren gelang, mit Hilfe einer neuen Analysetechnik (Single Molecule Array (SIMOA) Technologie) auch kleinste Mengen der Neurofilament Leichtketten im Blutserum nachzuweisen. Dadurch war es möglich, durch eine einfache Blutabnahme Aussagen über Schäden im ZNS durch die Bestimmung der Serum Neurofilament Leichtketten (sNfL) zu machen. Soweit zur Vorgeschichte dieses Biomarkers.

Worin liegt jetzt der Wert der kürzlich publizierten Arbeit? Nun, einfach mal so einen Messwert aus dem Blut von MS-Patienten zu bestimmen, ist leider nicht aussagekräftig genug. Um einen solchen Wert als verlässlichen Biomarker zu benutzen (in diesem Zusammenhang fällt auch häufig der Begriff des Surrogat Markers – also ein Messwert, dessen Beeinflussung die Wirkung einer Therapie auf eine Erkrankung anzeigt), muss dieser Biomarker validiert und standardisiert werden. Das ist häufig ein sehr langer Weg.

Für sNfL Werte konnte man bisher auf Gruppenebene zeigen, dass hohe Werte eine aktive Erkrankung anzeigen und MS-Medikamente in der Lage sind, die Werte in unterschiedlichem Ausmaß zu senken. Auf der Individualebene (also für den einzelnen Patienten) sind die absoluten Messwerte allerdings mit einigen Problemen behaftet. Zum einen sind sNfL Werte nicht spezifisch für durch die MS hervorgerufene Schäden. Auch leicht Kopfverletzungen (z.B. ein Kopfball beim Fußballspiel), aber auch andere neurologische Erkrankungen können zu einem Anstieg der sNfL Werte führen. Darüber hinaus weiß man, dass die Werte auch mit zunehmendem Lebensalter ansteigen.

Bedeutung in früher Krankheitsphase und bei Therapieeinstellung

Der Wert der aktuellen Arbeit liegt darin, dass Proben von mehreren Tausend Kontrollpersonen analysiert wurden. Mit deren Hilfe wurden die Messungen bei MS-Patienten im Hinblick auf die Effekte des Alterns und des Körpergewichtes normiert. Auf diese Weise ist jetzt eine trennschärfere Bestimmung von krankhaft erhöhten Werten auf der Individualebene möglich. In zwei unabhängigen Kohorten von Personen mit Multipler Sklerose konnten die Autoren zeigen, dass die Bestimmung des „normierten“ sNFL zur Identifizierung einzelner MS-Patienten mit Risiko für weitere Krankheitsaktivität beitragen kann.

Aus diesen Ergebnissen leitet sich eine praktisch relevante Bedeutung für MS-Patienten ab – aus meiner Sicht vor allem in den frühen Phasen der Erkrankung und bei der Therapieeinstellung. Eine mögliche zukünftige regelmäßige Bestimmung des sNfL Werts würde eine schnellere Justierung der Therapieauswahl sowie eine personalisierte frühzeitige Therapieentscheidung durch die Behandelnden begünstigen – und das wäre für die Praxis sehr hilfreich. Man muss aber aktuell auch bedenken, dass die Analysetechnik noch nicht flächendeckend verfügbar ist. Von daher finde ich Schlagzeilen wie „Neue Hoffnung für MS-Patienten“ nicht besonders zielführend. Es geht nämlich letztlich um nicht mehr und nicht weniger als eine Verbesserung der Versorgung in Richtung personalisierte Medizin, die es jetzt umzusetzen gilt.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Unsere Website verwendet Cookies und sammelt dabei Informationen über Ihren Besuch, um unsere Website zu verbessern (durch Analyse), Ihnen Social Media-Inhalte und relevante Werbung anzuzeigen. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Seite . Sie können zustimmen, indem Sie auf die Schaltfläche "Akzeptieren" klicken.

Cookie-Einstellungen

Unten können Sie auswählen, welche Art von Cookies Sie auf dieser Website zulassen. Klicken Sie auf die Schaltfläche "Cookie-Einstellungen speichern", um Ihre Auswahl zu übernehmen.

FunktionalUnsere Website verwendet funktionale Cookies. Diese Cookies sind erforderlich, damit unsere Website funktioniert.

AnalyticsUnsere Website verwendet analytische Cookies, um die Analyse und Optimierung unserer Website für a.o. die Benutzerfreundlichkeit.

Social Media, YouTube, VimeoUnsere Website platziert Social Media-Cookies, um Ihnen Inhalte von Drittanbietern wie YouTube und FaceBook anzuzeigen. Diese Cookies können Ihre persönlichen Daten verfolgen.

WerbungUnsere Website platziert Werbe-Cookies, um Ihnen Werbung von Drittanbietern zu zeigen, die Ihren Interessen entspricht. Diese Cookies können Ihre persönlichen Daten verfolgen.

AndereAuf unserer Website werden Cookies von Drittanbietern von anderen Diensten von Drittanbietern platziert, bei denen es sich nicht um Analysen, soziale Medien oder Werbung handelt.