COVID19 Impfung bei MS-Patienten mit Immuntherapien – neue Daten aus Israel

Gerade ist eine wissenschaftliche Arbeit aus Israel erschienen, die die Antikörperantwort gegen das Spike-Protein von SARS-CoV2 bei mit unterschiedlichen MS-Therapien behandelten Patientengruppen untersucht hat (Achiron et al. Humoral immune response to COVID-19 mRNA vaccine in patients with multiple sclerosis treated with high-efficacy disease-modifying therapies. Ther Adv Neurol Disord 2021, Vol. 14: 1–8 DOI: 10.1177/17562864211012835).Impfstudien aus Israel haben ein besonderes Gewicht. Denn in Israel sind schon große Teile der Bevölkerung geimpft und die Daten können aufgrund des relativ homogenen israelischen Gesundheitssystems sehr gut ausgewertet werden. Israel ist derzeit die Informationsquelle schlechthin, wenn es um Fragen rund ums Impfen gegen COVID19 geht (wobei in Israel ausschließlich der mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer verwendet wurde). Dennoch kann die o.g. Arbeit nicht unkommentiert stehen bleiben, weil sie aus meiner Sicht eine Menge Fragen bei Patienten und Behandlern aufwerfen wird.

Die Autoren haben 30 – 50 Tage nach der zweiten Impfdosis die Antikörper-Antwort gegen das Spike-Protein von SARS-CoV2 bei MS-Patienten untersucht, die mit Cladribin (n =23), Ocrelizumab (n=44) und Fingolimod (n=26) behandelt wurden. Die Ergebnisse wurden mit denen bei unbehandelten MS-Patienten (n =32) und gesunden Kontrollpersonen (n=47) verglichen. Bei 98% der gesunden Kontrolle, 100% der unbehandelten MS-Patienten und 100% der mit Cladribin behandelten Patienten wurde eine Antikörper-Antwort gefunden. Die Autoren werten dies als Ausdruck einer protektiven humoralen Immunität. Bei mit Ocrelizumab behandelten MS-Patienten war dies nur bei 22,7 % der Fall, bei Fingolimod nur bei 3,8 % der Studienpatienten. Die Autoren schlussfolgern nun auf der Basis dieser Daten, dass eine COVID19 Impfung bei MS-Patienten mit Fingolimod nicht empfohlen werden kann. Auch eine Impfung unter Ocrelizumab wird nur eingeschränkt empfohlen.

Diese – aus meiner Sicht ungerechtfertigte – Schlussfolgerung wird zu Verwirrung und Verunsicherung führen, v.a., da Fingolimod eines der am meisten verordneten MS-Medikamente in Deutschland ist. Aus meiner Sicht muss man die Aussage insoweit relativieren, als dass die Autoren nur einen Teil der Immunantwort, nämlich die humorale Immunantwort (Antikörper gegen SARS-CoV2) betrachten. Aussagen über die sog. T-Zell Immunität, die für die Virusabwehr mindestens genauso entscheidend ist, können durch die vorliegende Untersuchung gar nicht getroffen werden.

Natürlich ist die Bildung neutralisierender Antikörper, die die Übertragung des Virus verhindern können, zur Bekämpfung der Pandemie wichtig und wünschenswert. Auf der anderen Seite zielt eine Impfung aber in erster Linie darauf ab, das Individuum vor einem schwerem COVID19 Krankheitsverlauf zu schützen. Das leistet die Impfung auch ohne den Nachweis neutralisierender Antikörper. Daher ist es aus meiner Sicht absolut unnötig, dass die Autoren großen Teilen der behandelten MS-Patienten eine negative Impfempfehlung aussprechen. Vor allem, weil die Exposition mit dem Impfstoff keine Gefährdung darstellt und auch immer die Chance einer perfekten Impfantwort beinhaltet. Man muss sich zudem vor Augen halten, dass die Stichproben nicht besonders groß waren. Ich bleibe daher dabei, dass jeder MS-Patient – unabhängig von der individuellen Therapie – gegen COVID19 geimpft werden sollte, insbesondere unter dem Aspekt des individuellen Schutzes.

Natürlich erinnert die Arbeit daran, dass es sinnvoll ist, bereits vor Beginn einer MS-Therapie die notwendigen Impfungen (incl. COVID) abzuschließen und bei B-Zell depletierenden Therapien ein optimales Zeitfenster für die Impfung zu wählen. Diese Strategien klappen aber mittlerweile durch die Kooperation mit den impfenden Hausarztkollegen sehr gut. Dadurch sind wir mittlerweile in der Lage, unsere MS-Patienten individuell und dadurch recht optimal zu betreuen.

Ganz klar soll auch vor dem Absetzen von Fingolimod zum Zweck der Impfung gewarnt werden. Nicht selten kann es nach Absetzen der Substanz zu schweren MS-Schüben kommen. Darüber hinaus sei daran erinnert, dass die Daten zur Grippeimpfung bei Fingolimod absolut suffizient waren.
Fazit: Trotz hoher Wertschätzung für die israelischen Kollegen, die eine fantastische Arbeit machen und wissenschaftlich hochwertige Studien veröffentlichen, teile ich als Kliniker die hier gemachten Empfehlungen nicht – und halte sie sogar für kontraproduktiv.

15 Kommentare

  1. Moin,
    Ich nehme Zeposia, was, ja auch nicht in der Studie angesprochen wird… da ich viel Menschenkontakt habe, wäre es für mich schon psychisch wichtig zu wissen, ob meine Biontechimpfung Antikörperbildung veranlasst hat. Kann ich mich beim Hausarzt oder in der MS-Ambulanz darauf testen lassen und wenn ja, natürlich kostenfrei? Oder gibt es eine Stelle wie der Hersteller von Zeposia bzw. eine Studie, die Interesse hat, dies zu tun?

  2. so mir platzt gerade der Kragen. wie so oft sieht der Neurologe nur die Krankheitsaktivität nicht das Gesamtwohl des Menschen dahinter. Wir hoffen das ohne Antikörper eine suffiziente Impfantwort da ist. Wo sind die Daten die diese Aussage beweisen?
    Was ist mit den ganzen MS Patienten die im Gesundheitssystem arbeiten? ist das nicht unfair wenn ich Kollegen (ja nur weil der eine Professor ist und die anderen Pflegekräfte sollte man die als Kollegen bezeichnen) was vor mache und ihnen suggeriere das Schutz da ist, auch wenn das nur auf Vermuten beruht. und jetzt nicht rausreden mit wir wissen es ja noch nicht, gibt des Impfstoff noch nicht so lange. den wie der Köper bei bestimmten Immunkonstellationen auf Impfungen reagiert kann man überprüfen, wenn man will. Da aber von negativen Ergebnissen ausgegangen werden kann hat keiner Interesse
    Glaubwürdig ist man wenn man zumindest Begründet warum man plötzlich anderer Meinung ist. Bei Ocrelizumab hieß es lange Zeit das nicht von einen Impferfolg ausgegangen werden kann, frühestens nach 6 Monaten (siehe: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs00103-019-02905-1.pdf) war auch noch vor der Pandemie da hat man sich mit den Thema impfen noch anders beschäftigt. aus den 6 Monaten wurden jetzt 4 Monate. Beim Hersteller geht der Zeitraum sogar noch eher los…. muss ja fast. 6 Wochen vor der nächsten Gabe soll ja das ganze abgeschlossen sein, man muss ja wieder sein teures Zeug an den Mann/die Frau bringen. Jetzt kommt leider noch ein Punkt dazu den meiner Meinung nach keiner mitberücksichtigt. Medikamente wirken nicht bei jeden Patienten gleich. Und die Lösung wäre ganz einfach. Warum betrachten wir nicht jeden Patienten individuell. und ich denke auch das kann man aus den Daten https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/17562864211012835 rauslesen wenn man das möchte.
    Bei einen Medikament wie z.b. Ocrevus kontrolliert man regelmäßig die Lymphozytensuppopulationen. Warum nimmt man nicht diese Daten die man eh schon hat und wartet bis der Patient wieder B Zellen hat und impft erst dann? Genauso musste man meiner Meinung auch die Folgeinfusion verabreichen. Nicht in starren Intervallen sondern individuell auf Patienten abgestimmt.
    Manchmal denke ich mir das keiner offensichtliche Tatsachen sehen will, und sich gerne hinter Leitlinien versteckt. aber Leitlinien sind nicht dazu da das man das denken ausschaltet, wie es leider so oft in der Medizin Mode ist.

    Übrigens ich bin 2 mal geimpft, habe beim Antikörper Test keinen Nachweis von Antikörper gegen SARS COV 2, und arbeite im Gesundheitssystem mit Covid Patienten. Die Impfung erfolgte im vom Hersteller vorgeschrieben Intervall.
    Meine nächste Impfung wird erst stattfinden wenn ich wieder B Zellen habe. Das Risiko eines Schubes schätzte ich nicht als so bedeutend ein wie das Risiko an Covid zu sterben. Und das obwohl ich mit einen EDSS von 4 genau weiß was ein einzige Schub anrichten kann.

  3. Ich nehme Aubaggio, wurde Anfang Marz mit Biontech geimpft und hatte 2 wochen spater eine Infwktion mit Covid! Nun wurden meine Antikörper gemessen und sie waren extrem niedrig! Kan es mit meinem Dauermedikament zusammen hängen?

  4. Hallo,
    ich bin im Febraur vollständig mit Biontech geimpft worden und habe keinen ausreichenden Impftiter entwickelt, eigentlich fast gar keine Reaktion , mit so wenig Reaktion hatte keiner gerechnet auch nicht mein Neurologe.
    Ich nehme seit 2013 Gilenya ein !
    Da ich im Gesundheitswesen arbeite macht mich das natürlich sehr unsicher.
    Ich hoffe auf die zelluläre Immunität.
    Für eine dritte Impfung kämpfe ich mich gerade durchsiebt Bürokratie, da mein Hausarzt nicht Impft und die Impfzentren mit meinem Fall sehr überfordert sind,
    obwohl ich alles schriftlich habe 🙁
    Viele Grüße
    Elke G.

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