Corona-Virus und Multiple Sklerose

Ich habe mich etwas gesträubt, einen Artikel zu diesem Thema zu schreiben, denn die Situation ist im Moment sehr vage und die Gegebenheiten verändern sich täglich. Auf der anderen Seite ist es verständlich, dass insbesondere MS-Patienten über die allgemeinen Informationen hinaus spezifische Informationen zu ihrer Situation erhalten möchten – und daher ist ein Kommentar auf DocBlog sicherlich sinnvoll und an der Zeit.

Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass ich hier nur meine persönlichen Ansichten wiedergeben kann, die ich zwar nach bestem Wissen ausführe, die aber aufgrund der Aktualität der Ereignisse nicht durch wissenschaftliche Studien untermauert sind.

Man geht aktuell davon aus, dass eine Infektion mit dem neuen Corona-Virus (COVID-19) ein Gefahrenpotential birgt und wir deswegen alle gut daran tun, die Infektionswege so gut es geht einzudämmen. Deswegen sind die teilweise drastischen Maßnahmen wie Abriegelung bestimmter Regionen in Norditalien oder Ausgangssperren in Nordrheinwestfalen sinnvoll, denn es geht derzeit vor allen Dingen darum, Zeit u.a. für die Therapieentwicklung/Entwicklung eines Impfstoffes zu gewinnen.

Auf der anderen Seite ist es ziemlich wahrscheinlich – das hat ja auch der Bundesgesundheitsminister auf seiner Pressekonferenz am letzten Mittwoch klargemacht – dass es aufgrund der Komplexität der Infektionswege nicht mehr möglich sein wird, diese vollständig zu kontrollieren und Europa am Beginn Corona-Virus Epidemie steht. Experten gehen davon aus, dass 15 % der Infektionen schwer verlaufen und in bis zu 1 % der Fälle auch tödliche Verläufe möglich sind. Es ist jedoch unklar, auf welche Datenbasis sich diese Zahlen beziehen. Das Robert-Koch Institut (RKI) jedenfalls schätzt die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland aktuell als gering bis mäßig ein.

Das Corona-Virus führt als respiratorischer Erreger zu Symptomen wie Husten, Schnupfen, Halskratzen und Fieber, einige Betroffene leiden auch an Durchfall. Ähnlich wie bei einer Infektion mit dem Grippevirus scheint es so zu sein, dass insbesondere ältere Patienten mit chronischen Vorerkrankungen der Lunge oder des Herz-Kreislauf-Systems besonders gefährdet sind.

Die Multiple Sklerose (MS) ist zwar auch eine chronische Erkrankung, aber sie ist per se kein Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer Corona-Virus-Infektion. Um es auch noch einmal klar zu stellen – die MS ist keine Immunschwäche, im Gegenteil, das Immunsystem funktioniert eher zu gut und führt zu Autoimmunität. Zudem sind viele MS-Patienten jung und bis auf die MS gesund. Von daher würde ich das Risiko eines MS-Patienten nicht anders beurteilen, als das Risiko der deutschen Normalbevölkerung.

Bei vielen MS Patienten ergibt sich aber das Problem, dass sie Medikamente einnehmen, die die Funktion ihres Immunsystems verändern – und hier tauchen jetzt natürlich im Zusammenhang mit dem neuen Corona-Virus eine Menge Fragen auf. Zu diesem Thema existieren im Moment keine harten Daten, man kann also nur auf der Basis dessen, was man über die Substanzen weiß, spekulieren.

Keine Sorgen müssen sich meiner Ansicht nach Patienten machen, die ein Interferon-Präparat oder Copaxone anwenden. Bei Anwendung aller anderen Präparaten, die in die zelluläre Immunität eingreifen, konnte man innerhalb der Zulassungsstudien einen leichten (meist nicht gegenüber Placebo signifikanten) Anstieg der Infektionen der oberen Luftwege beobachten. Nun haben wir ja aus den letzten Jahren relativ viel Erfahrungen mit den diversen Grippewellen und können daher auch die Auswirkungen auf MS Patienten unter Medikation in etwa abschätzen – mit dem Unterschied natürlich, dass es derzeit keine Impfprophylaxe gegen das Corona-Virus gibt. Man kann demnach konstatieren, dass die Grippewellen keine katastrophalen Auswirkungen auf MS Patienten unter einer immunmodulatorischen Therapie hatten – daher gibt es auch jetzt keinen Grund zur Panik.

Ich würde aber allen Patienten unter einer immunmodulatorischen Therapie empfehlen, die Maßnahmen zu Infektionsprophylaxe zu beherzigen. Dazu gehört, sich von Personen mit Erkältungssymptomen fernzuhalten, eine gute Händedesinfektion und auch das Meiden von Großveranstaltungen/Menschenansammlungen. Das Tragen eines Mundschutzes in der Öffentlichkeit ist nicht notwendig, es suggeriert eher eine Pseudosicherheit. Klar abraten würde ich auch vom Absetzen oder vom Verzögern der Einnahme von MS Medikamenten – dies ist im Sinne der Nutzen-Risiko Analyse in keinem Fall empfehlenswert.

Vor dem Hintergrund, dass in unserer Bevölkerung Menschen leben, die aufgrund einer Erkrankung oder einer Medikamenteneinnahme ein höheres Gefährdungspotential haben, ist es umso wichtiger, dass wir alle – also die gesamte deutsche Bevölkerung – achtsam und besonnen bleiben und nach bestem Wissen versuchen sollten, die Infektionsketten zu durchbrechen. Wir alle sollten daran denken, uns die Hände zu desinfizieren, bei Erkältungssymptomen zu Hause zu bleiben oder Großveranstaltungen/Menschenansammlungen zu meiden. Wir sind alle verantwortlich!

Wahrscheinlich täte in einer Zeit wie dieser ein wenig gesellschaftliche Entschleunigung sehr gut – einfach unter der Corona-Welle abtauchen, die irgendwann vorüber sein wird.

 

 

5 Kommentare

  1. Mir stellt sich die Frage, wie sich sehr hohes Fieber aufgrund Corona-Infektion möglicherweise auf vorhandene, aber ruhige Entzündungen im Kopf/Rückenmark auswirkt. Ich denke da an die Wirkung des letzten Sommers mit Temperaturen über 40 °C. Das hat bei mir einen Schub ausgelöst. Könnte das ein hohes krankheitsbedingtes Fieber auch?

  2. Hallo, Ich bin 51 Jahre und habe MS.
    Ich habe einen chronischen Verlauf und bin in Therapie. Ich bekomme alle sechs Monate eine Infusion mit OCREVUS (Ocrelizumab).Die letzte Behandlung harre ich im November. Wie sieht das Risiko mit einem schweren Verlauf aus, falls man sich anstecken würde.Wäre es überhaupt möglich die nächste Gabe am 18. Mai wahrzunehmen ?
    Gruss
    Michael

  3. Da der virus noch sehr unbekannt ist können sie doch nicht jetzt eine Diagnose stellen jeder verlauf bei ms erkrankte ist andas wie können sie sagen das ms erkrankte nicht zur Risiko Gruppe zählt.sie haben doch das corona virus nicht untersucht die stehen alle am anfag sonst hätten wir schon ein imstoff sorry ich finde da lehnen sie sich ein bissen mit diese meinung zu weit aus denn Fenster.corona 19 ist noch in der Medizin unbekannt erzählt mann doch .und sie wissen das es für ms Patienten ungefährlich ist.blabla ich bin selber seit 11jahre an ms erkrankt.

  4. Einen gewissen Aspekt sollte man aber nicht veressen: unser immunsystem kenn covid-19 noch nicht, und überreagiert deshalb unter Umständen, was dann zu schwereren verlaufen führen könnte, meiner Meinung nach. Auch deshalb konnte man immunsupprimierende Medikamente durchaus weiter nehmen

    Bin aber kein Arzt, nur interessierter Laie

  5. Vielen Dank Prof.Dr. Mäurer,
    auch wenn ich bis heute noch nicht in Panik, auch mit Hamstereinkäufen, verfallen bin und immer noch davon ausgehe, dass es sich hier um eine Abart unseres Grippeerregers handelt, haben mich Ihre Zeilen nun darin bestätigt, dass ich mit allem vollkommen richtig liege und auch, als ich alle Medikamente bzgl. MS abgesetzt habe, vor Jahren schon. Danke

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