Was den Beginn der MS-Therapie angeht, so besteht ein breiter Konsens, dass eine MS-Therapie möglichst früh begonnen werden soll. Für MS-Betroffene ist aber auch die Frage von Bedeutung, wie lange eine MS-Therapie durchgeführt werden soll und wann sie ohne negative Konsequenzen beendet werden kann. Die Frage stellt sich auch deswegen, weil die Krankheitsaktivität in der Regel mit steigendem Lebensalter abnimmt. Darüber hinaus kommt es mit zunehmendem Alter auch zu einem Anstieg der Komorbiditäten, wodurch sich u.U. das Nutzen-Risiko-Profil von MS-Medikamenten verschiebt.Eine wichtige Studie, die sich mit der Frage nach Absetzen von MS-Therapien befasst hat, war die im letzten Jahr publizierte DISCOMS Studie, zu der ich bisher noch nicht ausführlicher Stellung genommen habe.
Studie untersucht Folgen der Therapiebeendigung
DISCOMS war eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte, verblindete Phase-IV-Studie, die an MS-Zentren in den Vereinigten Staaten durchgeführt wurde. Eingeschlossen wurden MS-Betroffene ab dem 55. Lebensjahr, die in den letzten fünf Jahren schubfrei waren und in den letzten drei Jahren keine neuen MRT-Läsionen aufwiesen, während sie kontinuierlich mit einer zugelassenen krankheitsmodifizierenden Therapie behandelt wurden. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip entweder für die Fortsetzung oder das Absetzen der krankheitsmodifizierenden Therapie ausgewählt. Der primäre Endpunkt war der Prozentsatz der Personen mit entweder einem Multiple-Sklerose-Schub oder neuen oder sich vergrößernden T2-MRT-Läsion im Gehirn über einen Zeitraum von 2 Jahren.
Insgesamt wurden 259 MS-Betroffene eingeschlossen; 128 (49%, mittleres Alter 62 Jahre, Zeit seit dem letzten Schub 13,2 Jahre) wurden der Gruppe „Fortsetzung“ und 131 (51%, mittleres Alter 63 Jahre, Zeit seit dem letzten Schub 14,5 Jahre) der Gruppe „Abbruch“ zugewiesen. Die überwiegende Mehrzahl in beiden Gruppen war mit Interferonen (Fortsetzung 41%, Abbruch 44%) und Copaxone (Fortsetzung 34%, Abbruch 27%) vorbehandelt. Sechs (4,7%) von 128 Teilnehmern in der Fortsetzungsgruppe und 16 (12,2%) von 131 in der Abbruchgruppe erreichten den primären Endpunkt, also erlitten entweder einen Schub oder zeigten neue oder sich vergrößernde MRT-Läsion im Gehirn. Hinsichtlich der Sicherheitsaspekte zeigten die beiden Gruppen keine Unterschiede.
Die Studie hat damit zwar nicht den primären Endpunkt (Nicht-Unterlegenheit eines Absetzens der krankheitsmodifizierenden Therapie) erreicht, dennoch waren die klinischen Konsequenzen einer Therapiebeendigung bei stabilen Patienten > 55 Jahre, die vorwiegend mit mild/moderat wirksamen Therapien behandelt werden, eher gering. Dementsprechend schlussfolgern die Autoren auch, dass das Absetzen der Therapie in dieser Patientengruppe eine sinnvolle Option sein kann, auch wenn wahrscheinlich mit einem geringfügig erhöhten Risiko für neue MRT-Aktivität gerechnet werden muss – zumal die „Therapie-Zufriedenheit“ nach Absetzen der MS-Medikamente anstieg.
Absetzversuch denkbar?
Ein Absetzversuch ist aber derzeit nur für die in der DISCOMS-Studie untersuchte Patientenpopulation zu rechtfertigen. Eine andere Studie, die die Auswirkungen einer Therapiebeendigung in einer jüngeren Kohorte untersucht hat, musste wegen einer deutlichen Zunahme der Krankheitsaktivität in der Beendigungs-Gruppe abgebrochen werden. Auch bei älteren Patienten, die mit hochwirksamen Therapien behandelt werden, sollte man zunächst weitere Studienergebnisse abwarten, bevor man eine hochwirksame Therapie unkritisch beendet. Die Gefahr einer wiederkehrenden Krankheitsaktivität oder gar eines Rebounds darf gerade in der Gruppe der (hoch)aktiven MS-Betroffenen nicht unterschätzt werden. Die DMSG bemüht sich derzeit, eine Studie zu initiieren, die die Therapiebeendigung/Deeskalation genau in dieser Patientengruppe untersucht, da hier anscheinend von Patientenseite ein erheblicher Bedarf besteht. Dementsprechend ist zu hoffen, dass weitere Daten generiert werden, die uns eine bessere Beratung unserer Patienten im Hinblick auf die Beendigung einer Therapie erlauben. Bis zum Vorliegen dieser Daten sollte eine Beendigung der MS- Therapie nur bei stabilen Patienten > 55 Jahren und moderater Erkrankung in Erwägung gezogen werden.
Entscheidend ist der Patientenwunsch!
Das Risiko für eine erneute Krankheitsaktivität ist nach Absetzen höher.
Ähnliche Diskussionen gibt/gab es auch bei der Epilepsie – dort hat man gelernt, dass es meist eben nicht klappt.
Hallo, Allerseits!
Das ist eine sehr spannende Studie. Ich bin froh, dass sich damit beschäftigt wird. Ich bin 64 Jahre alt, seit zehn Jahren schubfrei und spritze seit 19 Jahren Rebif. Meine Schübe haben sich fast komplett zurück gebildet, es gibt keine sichtbaren Behinderungen.
In den letzten Jahren ist allerdings meine Migräne deutlich häufiger geworden, es könnte einen Zusammenhang mit dem Interferon geben, sonst habe ich keine Idee, warum dies sein könnte. Und: ich spüre in der Haut Folgen des jahrelangen Spritzens. Ich denke also auch immer mal wieder über das Absetzen nach. Zwei Neurologen haben abgeraten, weil ich Herde im Rückenmark habe und damit sei das Risiko für starke Einschränkungen sehr hoch, sollte ich wieder Schübe haben. Allerdings habe ich gelesen, dass über 80 % der MS-Patienten spinale Herde haben.
So denke ich also weiter nach und bin froh, dass es dazu hoffentlich bald aus wissenschaftlicher Sicht mehr Erkenntnisse und Entscheidungshilfe gibt.
Herzliche Grüße und alles Gute von Monika
Hallöchen, ich habe seit 2011 die Diagnose MS und bin jetzt 55 Jahre alt.
Seit 2020 nahm ich Aubagio 14mg. Meinen letzten richtigen Schub hatte ich 2016. Ich muß zugeben, das ich das Medikament seit 08/24 selbst abgesetzt habe. Seit dieser Zeit geht es mir weder schlechter noch besser. Das einzige was ich bemerkt habe ist, das mir nicht mehr so schwindelig ist. Liebe Grüße von Julia 😉