Einige Wirkstoffe werden per Infusion gegeben.

Zulassung von Ocrelizumab

Ab diese Woche ist Ocrevus® (Ocrelizumab) zur Behandlung der schubförmigen (RMS) und primär progredienten Multiplen Sklerose (PPMS) verordnungsfähig und in den Apotheken erhältlich. Angesichts der guten klinischen Wirksamkeitsdaten und des akzeptablen Sicherheitsprofils wird das Medikament in Zukunft eine wichtige Rolle für die Immuntherapie der Multiplen Sklerose spielen.

Ocrelizumab wurde von den Behörden zur Behandlung erwachsener MS-Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose mit aktiver Erkrankung (definiert durch klinischen Befund oder Bildgebung) zugelassen – also für Patienten, die entweder von Beginn an einen sehr aktiven Verlauf (mit häufigen Schüben und vielen MR- Läsionen) zeigen oder mit etablierten MS-Medikamenten nicht ausreichend kontrolliert werden können (also weiterhin Schübe oder MR-Aktivität zeigen). Im klinischen Sprachgebrauch werden solche Patienten als (hoch)aktiv bezeichnet.

Diese Gruppe hat in der Vergangenheit von der Verordnung des Antikörpers Natalizumab (Tysabri®) profitiert. Nachdem Natalizumab allerdings wegen des PML- Risikos zurückhaltender (weiter)verordnet wird, ist es eine erfreuliche Entwicklung, dass mit Ocrelizumab ein Antikörper zur Verfügung steht, der eine Alternative für die Behandlung (hoch)aktiver MS-Patienten ist. Dementsprechend gehe ich auch davon aus, dass JCV-positive Natalizumab-Patienten Interesse haben werden, auf Ocrelizumab zu wechseln.

Aber auch für diejenigen Patienten, die nicht optimal mit ihren aktuellen MS-Medikamenten behandelt sind, ist die Verfügbarkeit einer weiteren Alternative für (hoch)aktive Patienten von Interesse. Mein Optimismus, dass Ocrelizumab bei diesen Patienten von Bedeutung sein wird, gründet sich v.a. darauf, dass wir das Konzept des Medikamentes, nämlich die Depletion (Zerstörung) von B-Zellen schon seit einiger Zeit in der MS-Therapie als „experimentelle“ Alternative nutzen und dafür Rituximab verwenden. Rituximab ist ein Antikörper, der für die Behandlung von Gelenkrheuma zugelassen ist und ebenfalls B-Zellen zerstört.

Mit Rituximab haben wir in Deutschland schon an vielen Zentren sehr positive Erfahrungen gemacht. Außerdem wurde in Schweden in den letzten Jahren sehr häufig Rituximab zur Behandlung der MS verordnet und die nun schon länger dauernden Beobachtungen aus Schweden zeigen, dass die Depletion von B-Zellen einen potenten Wirkmechanismus darstellt.

Natürlich muss man nach einer Zulassung auch immer ein wenig auf die Euphorie-Bremse treten, denn häufig kommen spezielle Besonderheiten eines Medikamentes erst dann zum Tragen, wenn es in der Breite außerhalb von klinischen Studien eingesetzt wird. Von daher muss man in den nächsten Jahren die Wirkungen und Nebenwirkungen kritisch und sorgfältig beobachten. Nicht ganz ausgeschlossen ist zum Beispiel, dass bei der Langzeitanwendung von Ocrelizumab eine Störung der Produktion körpereigener Abwehrstoffe (Antikörper) eintreten kann. Ich glaube allerdings, dass wir in den nächsten Jahren noch genug Zeit haben zu untersuchen, wie das Konzept einer B-Zell-Depletion am erfolgreichsten bei Patienten mit schubförmiger MS eingesetzt werden soll und welche Dosierungen und Intervalle dafür notwendig sind.

Darüber hinaus besitzt Ocrelizumab  eine Zulassung für die Behandlung der primär chronisch progredienten MS (PPMS), weil es das erste Medikament war, das in einer PPMS-Studie den primären Studienendpunkt erreicht hat. Ocrelizumab hat deswegen eine Zulassung für die Behandlung früher primär chronisch progredienter PPMS-Patienten erhalten und zwar charakterisiert anhand der Krankheitsdauer und dem Grad der Behinderung, sowie den Bildgebungsmerkmalen, die typisch für eine Entzündungsaktivität sind. Übersetzt bedeutet dies, dass man vorzugsweise Patienten mit primär chronisch progredienter MS behandeln würde, die noch nicht lange erkrankt sind, noch laufen können und Hinweise für eine aktive Entzündung im MRT aufweisen.

Diese Untergruppegruppe hat nämlich im Studienprogramm bei weitem am besten profitiert. Von daher ist Ocrevus® sicher kein Wundermittel – bei bestimmten, ausgewählten Patienten wird man damit helfen können, der Großteil der länger erkrankten Patienten, werden aber nicht so profitieren, dass es den Aufwand einer Immuntherapie rechtfertigt.

Es ist aber eine sehr gute Nachricht, dass nun auch für PPMS- Patienten eine zugelassene Therapie existiert –  und es steht zu hoffen, dass dies erst der Auftakt zu wirkungsvolleren Therapien der progredienten MS ist.

4 Kommentare

  1. Hallo Herr Mäurer,
    Ich stehe, dass erste Mal vor einem Medikamentenwechsel. Im Moment spritze ich Copaxone 40 mg, was mir sehr gut tut.

    Mein Neurologe empfahl mir auf Tecfidra (Kapseln) umzustellen. Letztes Jahr war ich an der Uniklinik in Heidelberg, die Ärztin meinte, wenn ein Therapiewechsel ansteht, dann auf Ocrelizumab.

    Was mir bis jetzt unbekannt war, ist dass ein erhöhtes Risiko besteht, dass PML ausgelöst werden kann. Ist der Neurologe verpflichtet einen JCV Bluttest zu machen?

    Empfehlen sie mir eine zweite Meinung einzuholen?

  2. Das stimmt, das Thema Sicherheit wird bei den meisten Therapien sowohl von Ärzten wie auch von Patienten nicht aktiv eingefordert, dabei gibt es das in meinen Augen, Sicherheiten sind auch in der Therapie wichtig…..nicht nur beim Autofahren.

  3. Sehr geehrter Herr Prof. Mäurer. Nachdem nun das von Ihnen durchaus hochgelobte Zinbryta (siehe Ihren Blogeintrag hier) vom Markt genommen wurde, kommen mir ernsthafte Fragen auf! Wer trägt die Verantwortung für die nun stark geschädigten oder verstorbenen Opfer dieses neuen Präparates? Und können Sie eigentlich unter diesem Gesichtspunkt hier für Betroffene überhaupt noch derartige „Lobeshymnen“ auf diverse neue Präparate singen? Verzeihen Sie bitte meinen scharfen Ton! Aber ich finde es unerträglich, dass unter der kurzen Therapiezeit dieses neuen Präparates so viele schwer geschädigte Patienten aufgetreten sind, die mit den grauenvollen NW nun ganz alleine zurechtkommen müssen. Und ich frage mich, was man bei Ocrelizumab evtl. noch zu erwarten hat. Immerhin ist auch das erst frisch am Markt.
    Wo liegt eigentlich Ihre persönliche Verantwortung? Sie haben Zinbryta hier auf einem Portal angepriesen, welches potentielle Anwender erreichen soll. Denn Ihr Blog ist ja nicht für Mediziner gemacht. Wäre ein wenig mehr Zurückhaltung angesichts der schwer geschädigten MS-Patienten nicht angezeigt? Müsste von Ihrer Seite nicht dazu sogar eine Stellungnahme erfolgen? Denn ICH empfinde Ihre Beiträge dazu durchaus als Werbung.
    Ich wünsche mir inständig, dass Biogen die Verantwortung übernimmt und die Patienten anständig entschädigt. Immerhin ist diese Fa ja auch bereit, Ihnen satte Honorare zu zahlen (siehe Internet-Sie haben der Veröffentlichung zugestimmt). Arm ist Biogen daher sicher nicht! Aber seit Contergan erleben wir, wie Anwender allein gelassen werden. Allein mit ihren Gebrechen und den daraus folgenden gesellschaftlichen Nachteilen. Das ist für mich eine nahezu unerträgliche Situation. Und ich würde mir für Sie persönlich wünschen, dass Sie dieser Vorfall der Rücknahme Ihres gelobten Präparates vorsichtig stimmt und Sie zukünftig mit mehr Achtsamkeit in Ihren Beiträgen agieren. Sie haben als öffentlich schreibender Neurologe auch und sehr Wohl eine Verantwortung gegenüber Ihren Lesern!

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