Geschlechtsspezifische Aspekte – warum betrifft MS häufig Frauen?

Warum tritt die MS deutlich häufiger bei Frauen als bei Männern auf? – diese Frage wird mir immer mal wieder gestellt. Eine eindeutige Antwort hierauf gibt es nicht, aber die Frage hat in den letzten Jahren einige interessante Forschungsaktivitäten nach sich gezogen, die zum weiteren Verständnis der Erkrankung beigetragen haben.

Das Phänomen einer höheren Prävalenz bei Frauen kann bei vielen Autoimmunerkrankungen beobachtet werden – nicht nur an der MS, sondern auch an der rheumatoiden Arthritis oder dem systemischem Lupus erythematodes erkranken bevorzugt Frauen.

Die Multiple Sklerose betrifft Frauen um den Faktor 3 – 4 mal häufiger als Männer und es scheint so, als ob das Verhältnis eher weiter zunehmen würde. Vermutlich sind hierfür hormonelle Faktoren verantwortlich. Auf der anderen Seite hat man aber auch in den letzten Jahren unterschiedliche Genexpressionen von Rezeptormolekülen in weiblichen Gehirnen entdeckt. So wurde z.B. kürzlich berichtet, dass der Rezeptor S1PR2, der beim Einschleusen von Immunzellen in das Gehirn eine Rolle spielt, in weiblichen (MS)Gehirnen stärker exprimiert wird.

Derzeit geht man aber davon aus, dass vor allem Sexualhormone bei den komplexen Wechselwirkungen zwischen Umweltfaktoren (Sonnenlicht, Vitamin D), genetischen und epigenetischen Einflüssen(MHC-Risiko-Allelen) und kulturellen Faktoren (Urbanisierung, weibliche Bildung) eine Rolle spielen und das MS- Risiko und Krankheitsprogression beeinflussen.

So zeigen Frauen mit MS im Vergleich zu Männern einen früheren Krankheitsbeginn und haben mehr entzündliche Läsionen im MRT. Auf der anderen Seite haben Männer eine schlechtere Verlaufsprognose als Frauen, zeigen eine schnellere Progression und leiden öfter unter einer Beteiligung des Kleinhirns. Es gibt auch geschlechtsbezogene Unterschiede in der Kognition – das männliche Geschlecht gilt als Prädiktor für eine schlechtere kognitive Leistung. Passend zu dieser Beobachtung zeigen Männer auch eine deutlichere Atrophie der grauen Substanz und weisen mehr hypointense T1-Läsionen auf.

Die Gründe für diese  geschlechterspezifischen Unterschiede sind nicht klar, aber es ist naheliegend, dass sie in den hormonellen Unterschieden begründet sind. Ein starkes Argument für den Einfluss der Geschlechtshormone ist, dass sich die Unterschiede im Krankheitsverlauf zwischen Frauen und Männern nach der Menopause wieder angleichen. Nachdem Östrogen, das weibliche Geschlechtshormon, im Tierversuch nachweislich neuroprotektive Effekte gezeigt hat, wäre es denkbar, dass Frauen grundsätzlich bessere Reparaturmechanismen besitzen.

Interessanterweise zeigen auch Umweltfaktoren, denen eine Bedeutung für die Entstehung der MS zugesprochen wird, unterschiedliche Auswirkungen auf Männer und Frauen. Vitamin D scheint bei Frauen mit MS eine größere immunmodulatorische Wirkung zu haben als bei Männern. So hatten im Tierexperiment nur weibliche Mäuse, die mit einer Vitamin D angereicherten Diät gefüttert wurden, einen milderen Krankheitsverlauf.

Da die Funktion der Hormone neben der klassischen Kommunikation zwischen Organen auch Immunmodulation und Neuroprotektion umfasst, liegt im Verständnis ihrer Wirkung eine weitere Möglichkeit für die Kontrolle von Autoimmunerkrankungen. Dies kann zum einen in einem therapeutischen Einsatz von Hormonen münden, wozu teilweise auch schon einige Studien gelaufen sind, oder auch in der therapeutischen Nutzung von schwangerschaftsbedingten Toleranz-induzierenden Faktoren. Zum anderen kann ein besseres Verständnis aber auch im Hinblick auf eine personalisierte, geschlechterspezifische Therapie von Bedeutung sein.

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