Grafische Darstellung einer Liquorentnahme.

Die Lumbalpunktion – wann und für was ist sie notwendig?

Eine unbeliebte, aber notwendige Prozedur bei der Diagnosestellung der Multiplen Sklerose ist die Nervenwasserentnahme, die Lumbalpunktion. Die Diagnose einer MS wird heutzutage mit Hilfe der sog. McDonald Kriterien gestellt. Diese Kriterien basieren vorwiegend auf den Befunden der kranialen und spinalen Kernspintomographie, mit denen die klinische Verdachtsdiagnose abgesichert wird. Bei einer bestimmten Befundkonstellation kann die Diagnose eine sicheren MS dann auch in vielen Fälle gestellt werden.Gut informierte MS-Patienten, die sich mit den Diagnosekriterien einmal genauer auseinandergesetzt haben, haben vielleicht bemerkt, dass die Analyse des Nervenwassers (Liquor cerebrospinalis) innerhalb der McDonald-Kriterien gar nicht richtig auftaucht. Das mag zu dem Gerücht geführt haben, die Lumbalpunktion sei heutzutage verzichtbar.

Dem kann man entgegenhalten, dass in den McDonald-Kriterien glasklar formuliert ist, dass keine anderen Bedingungen außer einer MS als Grund für die neurologischen Symptome bei einem Individuum ausgemacht werden konnten. Diese Forderung kann aber nur dann erfüllt werden, wenn vor der Diagnosestellung entsprechende differentialdiagnostische Abklärungen vorgenommen wurden – und für diese sorgfältige differentialdiagnostische Abklärung ist eine Liquordiagnostik unabdingbar.

Der Liquorbefund einer Multiplen Sklerose ist charakteristisch: Häufig findet man eine leichte Zellzahlerhöhung. Normal ist der Nachweis von ca. 4 Leukozyten pro µl (Mikroliter = 0,001 ml) Liquor. Bei einer MS findet sich eine leichte Zellzahlerhöhung auf 10 – 50 Zellen pro µl. Eine normale Zellzahl spricht nicht gegen eine MS; eine Zellzahl > 50/µl ist zwar mit einer Multiplen Sklerose vereinbar, sollte allerdings zum nochmaligem Nachdenken anregen.

Ein weiterer wichtiger Parameter ist der Protein(Eiweiß)gehalt im Liquor. Dieser Wert ist bei MS-Patienten in der Regel völlig normal. Ein erhöhtes Liquoreiweiß sollte daher ebenfalls zum Nachdenken anregen. Schließlich wird im Liquor nach Zeichen einer chronischen Immunaktivierung gesucht, die typisch für eine MS ist. Hierfür bestimmt man das Vorhandensein der sogenannten oligoklonalen Banden (OKB). Diese Banden sind allerdings nicht spezifisch für eine Multiple Sklerose, sondern finden sich auch bei anderen entzündlichen ZNS-Erkrankungen. Bei MS finden sie sich allerdings bei ca. 95 % der Fälle. Damit ist der Nachweis der Banden zwar sehr typisch, das Fehlen der OKB spricht aber nicht gegen eine MS, da bei 5 % aller MS-Fälle eben keine Banden gefunden werden. Dennoch sollte das Fehlen von Banden zum Nachdenken anregen.

Man sieht nach diesen Erläuterung schon, dass nicht ein einzelner Wert entscheidend ist, sondern dass die Kombination verschiedener Messwerte für oder gegen das Vorliegen einer MS spricht. Somit ist aus meiner Sicht völlig klar, dass man bei einer sorgfältigen MS-Diagnose nicht an der Analyse des Liquors vorbeikommt.

Das bedeutet aber, dass auch wenn eine Lumbalpunktion aus meiner Sicht bei der MS-Diagnosestellung unverzichtbar ist, so genügt letztlich eine sorgfältige Analyse. Wiederholte Liquorpunktionen sind bei MS nicht sinnvoll und auch nicht nötig.

Natürlich kann es trotzdem passieren, dass im Laufe einer MS-Erkrankung nochmals Liquor abgenommen wird. Diese Maßnahme steht aber häufig in Zusammenhang mit der Überwachung einer spezifischen Multiple-Sklerose-Therapie. Ein Beispiel ist der Nachweis einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie, die als Nebenwirkung einer Natalizumab (Tysabri)-Therapie auftreten kann und nur sicher durch eine Lumbalpunktion ausgeschlossen bzw. nachgewiesen werden kann.

Und dann gibt es natürlich auch noch diverse „Experten“, die Liquoranalysen für vermeintliche Spezialuntersuchungen anbieten – hier ist z.B. die Durchführung von Lymphozytentransformationstests oder die Bestimmung bisher noch nicht validierter Immunparameter zu nennen. Diese Angebote sind mit großer Vorsicht zu genießen. Hier sollte in jedem Fall vorher eine Rücksprache mit einem erfahrenen Neurologen und MS-Therapeuten stattfinden. Lieber vorher abstimmen, bevor man sich auf solche Untersuchungsmethoden einlässt.

3 Kommentare

  1. Oligoklonalen Banden gibt es aber noch in unterschiedlichen Typen.
    Das wissen auch nur die wenigsten und somit kann das auch sehr verwirrend werden.

  2. Ich werde es Nicht mehr durchführen lassen , habe es nun 3 mal hinter mich gebracht .
    Auch werde ich keinem Handel Kortison gegen Punktion zustimmen , nur damit Assistenzärzte Ihren Nachweis Katalog von Punktionen aufwerten können . Dieses ist eine gängige Methode in der der Patient keine Möglichkeit sieht als dem Prozedere zu zustimmen. Bei vielen MS Patienten sind keine Auffälligkeiten (OKB ) vorhanden .
    Es sollte zum Nachdenken bewegen ,da es weitere Untersuchungs Methoden zur Feststellung der MS gibt , MRT – VEP ect …

    1. Ich stimme der Person mit dem ersten Kommentar zu. Es ist erschreckend wie man heutzutage für gewisse Zwecke benutzt wird. Ich selbst durfte mehr als 5 Punktionen innerhalb eines Jahres machen, darunter auch eine, die schief gelaufen ist, weil die lieben Assistenzärzte ja auch mal sollen. Man sollte mit dieser Untersuchungsform nicht spielen, da es sehr schwer für die Betroffenen ist.

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