Daclizumab

Seit Sommer letzten Jahres ist mit Zinbryta® (Wirkstoff Daclizumab) ein neues Medikament zur Behandlung der schubförmigen Multiplen Sklerose auf dem Markt. Im Vergleich zu den Markteinführungen neuer Medikamente in den vergangenen Jahren war die Einführung dieses Medikaments eher wenig spektakulär, obwohl es sich um ein innovatives Präparat mit einem neuen Wirkmechanismus handelt. Während viele neue MS-Medikamente auf die Reduktion von Entzündungszellen abzielen, handelt es sich bei dem monoklonalen Antikörper Daclizumab, der in Zinbryta® enthalten ist, um einen Antikörper,  der an den sog. Interleukin (IL)-2 Rezeptor bindet.

T-Lymphozyten, also die Entzündungszellen, die für die entzündlichen Attacken auf das Gehirn verantwortlich sind, benötigen für ihre Stimulation und Vermehrung den Botenstoff Interleukin (IL-2).  Daclizumab blockiert nun diesen wichtigen Mechanismus, führt aber auch dazu,  dass durch diese Blockade IL2  „im Überschuss“ vorhanden ist und es dadurch zu einer Stimulation  sog. CD56 bright NK Zellen kommt (NK-Zelle steht für natürliche Killerzelle). Diese Zellen besitzen regulatorische Eigenschaften und hemmen autoreaktive T-Lymphozyten. Zinbryta® ist somit ein MS-Medikament, das mit Erfolg in das Netzwerk der entzündlichen Botenstoffe eingreift.

Angesichts der bereits vielfältig vorhandenen anderen MS-Medikamente stellt sich nun die Frage, welche MS-Patienten besonders von diesem neuen Konzept profitieren und wo sich das neue Präparat einordnet. Dafür hilft ein Blick auf die Studiendaten. Aus einer Zulassungsstudie von Zimbryta (DECIDE) lässt sich ableiten, dass das neue Medikament Interferon-beta 1a i.m. (Avonex) überlegen ist. Es hat im Bezug auf die Schubreduktion und MRT-Aktivität signifikant besser abgeschnitten. Somit hat Zimbryta eine ähnliche Studienlage wie Fingolimod (Gilenya), das ebenfalls in einer seiner Zulassungsstudien eine bessere Wirksamkeit als ein Interferon beta 1a i.m. (Avonex) gezeigt hat.

Das Präparat ist damit z.B. eine Alternative zu Fingolimod, dass derzeit gerne angewendet wird, wenn Basistherapien (Interferone, Glatirameracetat etc.) nicht optimal wirken. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Wirkung reversibel ist und das Medikament nur in ganz geringem Maße zu einer Reduktion der weißen Blutkörperchen führt. Demnach könnte es interessant sein bei Patienten, die unter anderen Präparaten einen zu starken Abfall der Lymphozyten im peripheren Blut zeigen. Eine Situation, die z.B. manchmal bei der Gabe von Dimethylfumarat (Tecfidera) beobachtet wird. ,

Zudem ist das Medikament bequem anzuwenden – alle 4 Wochen muss eine subkutane Spritze gegeben werden. Zum einen kann man das selbst machen, zum anderen ist die Spritze auch recht gut verträglich – d.h. sie macht keine Grippe-ähnlichen Nebenwirkungen.

Natürlich hat auch diese Substanz Nebenwirkungen, die u.a. regelmäßige Blutbildkontrollen erforderlich machen. Häufige Nebenwirkungen sind die Erhöhung der Leberwerte. Dabei kann es  in seltenen Fällen auch zu starken Veränderungen der Leberwerte kommen – daher auch die regelmäßigen Blutkontrollen. Ebenfalls häufiger trifft man Hautveränderungen an – am häufigsten Ekzeme, die sich spontan zurückbilden. Seltener können diese Hautreaktionen aber auch so ausgeprägter sein, dass man das Präparat absetzen muss.

Insgesamt kann man aber davon ausgehen, dass mit der Substanz ein weiteres wirksames und sicheres Präparat zur Verfügung steht – und die Verfügbarkeit eines weiteren Medikamentes wird dazu führen, dass die individuellen Bedürfnisse von MS-Patienten und ihre Erwartungen an eine Therapie besser erfüllt werden können.

5 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Prof. Mäurer. Nachdem nun das von Ihnen durchaus hochgelobte Zinbryta (siehe Ihren Blogeintrag hier) vom Markt genommen wurde, kommen mir ernsthafte Fragen auf! Wer trägt die Verantwortung für die nun stark geschädigten oder verstorbenen Opfer dieses neuen Präparates? Und können Sie eigentlich unter diesem Gesichtspunkt hier für Betroffene überhaupt noch derartige „Lobeshymnen“ auf diverse neue Präparate singen? Verzeihen Sie bitte meinen scharfen Ton! Aber ich finde es unerträglich, dass unter der kurzen Therapiezeit dieses neuen Präparates so viele schwer geschädigte Patienten aufgetreten sind, die mit den grauenvollen NW nun ganz alleine zurechtkommen müssen. Und ich frage mich, was man bei Ocrelizumab evtl. noch zu erwarten hat. Immerhin ist auch das erst frisch am Markt.
    Wo liegt eigentlich Ihre persönliche Verantwortung? Sie haben Zinbryta hier auf einem Portal angepriesen, welches potentielle Anwender erreichen soll. Denn Ihr Blog ist ja nicht für Mediziner gemacht. Wäre ein wenig mehr Zurückhaltung angesichts der schwer geschädigten MS-Patienten nicht angezeigt? Müsste von Ihrer Seite nicht dazu sogar eine Stellungnahme erfolgen? Denn ICH empfinde Ihre Beiträge dazu durchaus als Werbung.
    Ich wünsche mir inständig, dass Biogen die Verantwortung übernimmt und die Patienten anständig entschädigt. Immerhin ist diese Fa ja auch bereit, Ihnen satte Honorare zu zahlen (siehe Internet-Sie haben der Veröffentlichung zugestimmt). Arm ist Biogen daher sicher nicht! Aber seit Contergan erleben wir, wie Anwender allein gelassen werden. Allein mit ihren Gebrechen und den daraus folgenden gesellschaftlichen Nachteilen. Das ist für mich eine nahezu unerträgliche Situation. Und ich würde mir für Sie persönlich wünschen, dass Sie dieser Vorfall der Rücknahme Ihres gelobten Präparates vorsichtig stimmt und Sie zukünftig mit mehr Achtsamkeit in Ihren Beiträgen agieren. Sie haben als öffentlich schreibender Neurologe auch und sehr Wohl eine Verantwortung gegenüber Ihren Lesern!

  2. Ob die lobende Erwähnung von der Pharmaindustrie beeinflusst wurde, vermag ich nicht zu beurteilen. Eigenartig finde ich allerdings, dass kein Update des Artikels nach den zwischenzeitlich eingetretenen Todesfällen erfolgt.

  3. #wer seine einnahmen von biogen&co nicht veröffentlichen mag, dem mag man nicht glauben, daß es seine eigene meinung ist, die er präsentiert.

    wim

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